zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die letzte Frist

Kabinett will sich bis 31. März Zeit geben, noch nicht elektronisch erfasste Vorschriften zu bearbeiten

Stand:

Kabinett will sich bis 31. März Zeit geben, noch nicht elektronisch erfasste Vorschriften zu bearbeiten Potsdam - Die Regierungspanne bei der elektronischen Erfassung von Rechtsvorschriften in Brandenburg sorgt für Verärgerung im Parlament: Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) sagte am Montag gegenüber dieser Zeitung, er erwarte von der Landesregierung Aufklärung: „Das ist offensichtlich verschlampt worden.“ Wie berichtet, ist jede Dritte von 2628 Rechtsvorschriften Brandenburgs womöglich ungültig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist bis 31. Dezember 2004 elektronisch erfasst wurde – und laut gültigem Gesetz damit ihre „Geltung verlieren soll“. Die nötige Software sei erst im September 2004 einsatzbereit gewesen, erklärt das Justizministerium. Die Landesregierung will deshalb heute eine Vorlage von Justizministerin Beate Blechinger (CDU) beschließen, die Frist nachträglich auf den 31.März 2005 zu verlängern. Dass der Landtag dabei nicht einmal einbezogen wird, sieht man dort besonders kritisch. „Dieser Umgang ist nicht in Ordnung“, so Fritsch. „Es geht nicht, dass das Kabinett eine vom Landtag gesetzte Frist verlängert“. Bis zum Montag waren nach Auskunft des Justizministeriums 641 Vorschriften immer noch nicht erfasst, Mitte Februar waren es noch 807 – lange nach dem Termin. Ob sie tatsächlich ungültig geworden sind, ist juristisch umstritten. Das für die Erfassung federführend zuständige Justizministerium argumentiert so: Im Gesetz sei lediglich formuliert, dass sie ihre Geltung verlieren „sollen“ – was jedoch keinen Automatismus zum Stichtag bedeute. Hingegen sagte Fritsch: „Im Verwaltungsrecht bedeutet sollen eigentlich müssen“. Das sieht Brandenburgs Städte- und Gemeindebund genauso: Nach dessen Auffassung sind die nicht erfassten Vorschriften somit unwirksam. „Wenn die Regierung sie nicht pünktlich erfasst hat, scheinen sie auch nicht wichtig zu sein“, so Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher. „Was man nicht ernst nimmt, braucht man auch nicht.“ Er sehe „keine Ausstiegsmöglichkeit für die Regierung“ – und „schon gar nicht durch einen Kabinettsbeschluss“. PDS-Vizefraktionschef Heinz Vietze meint: Nicht akzeptabel sei „die versuchte Schadensbegrenzung auf dem kleinen Dienstweg, ohne das Parlament“. Der SPD-Rechtspolitiker Ralf Holzschuher spricht von einer „Peinlichkeit“, die hoffentlich ein „heilsamer Schock“ für die Regierung sei. Und CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek betont, wichtig sei, die Chance für eine Reduzierung überflüssiger Vorschriften zu nutzen. Das Finanzministerium, das bislang zu den Schlusslichtern bei der Erfassung gehörte, holt auf: Inzwischen sind 270 Verwaltungsvorschriften eingegeben, so Sprecher Ingo Decker. Fünfzig Verbleibende würden bis Ende März eingestellt. „Weitere 40 sind nicht mehr nötig und entfallen.“ Auch das Innenministerium ist zuversichtlich, dass die verbleibenden 259 Vorschriften beim zweiten Termin pünktlich eingegeben sind. Denn da sind sich Parlament und Regierung einig: Alle Rechtsvorschriften, die bis 31. März 2005 elektronisch nicht erfasst sind, verfallen endgültig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })