Brandenburg: Die letzte Offensive Richtung Berlin
Der Berliner Militärhistoriker Richard Lakowski über den Kampf um die Seelower Höhen
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Der Berliner Militärhistoriker Richard Lakowski über den Kampf um die Seelower Höhen Der Kampf um Berlin beginnt zweieinhalb Stunden vor Sonnenaufgang. Am 16. April 1945 um 3 Uhr startet die Rote Armee an der Oder ihre letzte große Offensive. Die Bewohner der Reichshauptstadt sind noch mit den Verheerungen des jüngsten alliierten Luftangriffs beschäftigt, da hören die Bewohner der östlichen Vororte den Lärm der Artillerie losgrollen wie ein fernes Gewitter. Doch tatsächlich bricht an der Oder ein Inferno los. Aus zehntausenden Kanonenrohren eröffnet die Rote Armee die Schlacht. Zugleich greifen hunderte sowjetische Bomber die deutschen Stellungen an. Den Schlag hat die Wehrmachtsführung seit zwei Tagen erwartet. Am 14. April hat Hitler der 9. Armee freigestellt, die „Großkampf-Hauptkampflinie“ zu beziehen – also die vorbereiteten Abwehrstellungen, an denen die gegnerische Offensive zerbrechen sollte. Zwischen der Ostsee und der Mündung der Neiße in die Oder hatte das untergehende Reich aufmarschieren lassen, was es noch aufbieten konnte. Dahinter erstreckt sich ein tief gestaffeltes Stellungssystem bis an den Berliner Stadtrand. Dort beginnt der äußerste Verteidigungsring der Reichshauptstadt. Aber die Unterlegenheit der deutschen Truppen ist gewaltig. Den entscheidenden Frontabschnitt vor Berlin hat die 9. Armee unter General Busse zu verteidigen. Ihr gegenüber steht die 1. Weißrussische Front von Marschall Schukow. Die Verhältnisse sind eindeutig: Auf jeden deutschen Soldaten kommen sieben der Roten Armee. „Es war ein Himmelfahrtskommando“, schrieb der damalige Leutnant Tams später über diesen Tag. „Wir hatten den Eindruck, dass jeder Quadratmeter Erde umgepflügt wurde. (...) Am Ende des Tages „war jeder 5. meiner Männer (...) gefallen, vermisst oder verwundet.“ Nahezu der einzige Vorteil der deutschen Verteidiger sind die Geländebedingungen. Die Stellungen der Wehrmacht auf dem Hügelzug der Seelower Höhen am Rande des Oderbruchs sind das wichtigste Bollwerk vor Berlin. „Ihr Besitz oder Verlust entschied, so wie Lage und Kräfteverhältnis waren, über den Ausgang der Schlacht“ schrieb General Busse, der Oberbefehlshaber der 9. Armee, später. Und zumindest am ersten Tag der Offensive können Schukows Truppen ihre Aufgabe nicht erfüllen. Trotz der hohen Verluste, die seine Offiziere in Kauf nehmen, bleiben die Seelower Höhen zunächst in deutscher Hand. Ein Augenblickserfolg. Wie sich zeigen wird, kann die 9. Armee die Hügelkette nicht dauerhaft halten. Immerhin bringen die deutschen Verteidiger den Operationsplan Schukows durcheinander. Der Autor (66) ist Militärhistoriker und lebt in Erkner.
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