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Brandenburg: „Die Linke wird es schwer haben“ Der Politikwissenschaftler Werner Jann über Wählervoten und die Zukunft von CDU und Rot-Rot

Professor Jann, entspräche eine rot-rote Landesregierung, wie sie nun geschmiedet werden soll in Brandenburg dem Wählerwillen nach der Landtagswahl?Also aus dem Wahlergebnis kann diese Koalition bestimmt nicht abgeleitet werden.

Stand:

Professor Jann, entspräche eine rot-rote Landesregierung, wie sie nun geschmiedet werden soll in Brandenburg dem Wählerwillen nach der Landtagswahl?

Also aus dem Wahlergebnis kann diese Koalition bestimmt nicht abgeleitet werden. Denn die alte Koalition aus SPD und CDU ist nicht abgewählt worden, sie hat sogar leicht an Stimmen gewonnen, und auch keine der Parteien ist abgestraft worden. Eigentlich waren die Brandenburger 2009 genauso zufrieden oder unzufrieden wie 2004.

Regierungschef Platzeck und die SPD wollen aber trotzdem den Wechsel.

Gemeinsamkeiten können auch aufgebraucht werden. Das ist wohl zum Teil auch bei der alten Koalition der Fall. Und hinzu kommt: Auf Brandenburg kommen finanziell schwere Zeiten zu, es wird noch mehr gespart werden müssen als bisher schon. Da ist es vermutlich für die SPD besser, die Linke dabei in der Verantwortung statt in der Opposition zu haben.

Ist das eine Lehre, die die märkische SPD aus dem rot-roten Bündnis im Land Berlin gezogen hat, wo die SPD mit der Linken einen harten Sparkurs fährt – einen härteren, als es die SPD oder CDU allein je hätten betreiben können?

Ja, so sieht es jedenfalls aus. Harte Schnitte sind mit der Linken im Boot einfacher zu machen als in Daueropposition. Das hat auch Berlin gezeigt.

Wem wird Rot-Rot am meisten nützen?

Zunächst einmal der brandenburgischen CDU. Der wird es auf Dauer helfen, in der Opposition zu sitzen – gerade wenn SPD und Linke sparen müssen. Zudem kann sich die Landes-CDU in der Opposition erneuern und neu aufstellen. Eigentlich muss die Partei Platzeck dankbar sein, dass er ihr die Chance gibt, auch in Brandenburg in der Opposition zur Volkspartei zu reifen.

Und die Linke?

Die wird es schwer haben, wohl am schwersten von allen. Denn sie muss den harten Sparkurs, auch im Sozialen, mitverantworten - und das bei ihrer Wählerklientel.

Eigentlich hätte sich die Linke doch noch einmal auf der Oppositionsbank zurücklehnen und die anderen den harten Sparkurs vollziehen lassen können. Warum wagt sie dennoch den Schritt und setzt sich der Gefahr aus, tatsächlich entzaubert zu werden, wie es sich die SPD erhofft?

Zum einen ist da der Spruch von Franz Müntefering, wonach Opposition Mist ist: Die Linke hat einfach die Nase voll von der Daueropposition und will zeigen, was sie kann. Sie ist wohl auch davon überzeugt, die bessere Regierungspartei als die SPD zu sein. Im Prinzip ist die Linke jetzt voll im Regierungssystem angekommen, sie ist keine Protestpartei mehr. Es wird spannend, wie dies von ihren Wählern honoriert werden wird.

Um an die Macht zu kommen, hat die Linke im Prinzip nachträglich ihre Spitzenkandidatin zurückgezogen: Frau Kaiser hat wegen ihrer Stasi-Tätigkeit auf Ministerämter verzichtet. Die IM-Tätigkeit war doch vorher bekannt, die Partei, in deren Spitze gleich mehrere Ex-IMs zu finden sind, ist doch bewusst mit dieser Kandidatin in den Wahlkampf gezogen? War die Linke so naiv oder hatten die ihre Hausaufgaben nicht gemacht?

Ich glaube, dass in der Linken aber auch in Teilen der SPD das Thema unterschätzt worden ist. Dass aber Frau Kaiser nun verzichtet, ist ein sehr politischer, ein taktisch sehr geschickter Schachzug. Damit hat sie zum einen der SPD aber auch nach Außen demonstriert, dass es ihr nicht um sich geht; und sie hat die SPD damit unter Zugzwang gesetzt. Der Verzicht auf ein Ministeramt und die Beschränkung auf – das doch sehr starke – Amt als Fraktionschefin wird Kaiser parteiintern enorm stärken. Sie hat mit ihrem „Opfer“ die Partei an die Macht gebracht.

Welche Rolle hat aus Ihrer Sicht bei der Entscheidung für Rot-Rot und gegen die alte Koalition in Brandenburg die Bundespolitik gespielt?

Zunächst einmal hat Platzeck, wenn er nicht an die Stabilität einer SPD/CDU-Koalition glaubt, keinen falschen Schritt getan, indem er die sichere Variante wählte. Und natürlich spielt die politische Großwetterlage auch eine Rolle. Nach der verheerenden Niederlage der SPD im Bund kann die Partei nicht einfach so weitermachen und überall in den Ländern weiter Bündnisse mit der CDU schmieden. In diesem Sinne war vermutlich auch die Entwicklung in Thüringen relevant.

Das Gespräch führte Peter Tiede

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