Von Alexander Fröhlich: Die Linksfraktion findet sich noch
Die Abgeordneten sind unzufrieden mit ihrer Spitze – wegen der Regierungshektik
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Potsdam – Die Runde war nicht komplett. Als sich der Vorstand der Links-Fraktion im Landtag am Donnerstagabend nach der Plenarsitzung traf, blieb ein Platz leer: der von Peer Jürgens, 30 Jahre alt, Linke-Abgeordneter mit Direktmandat in Oder-Spree und bislang Vorstandsmitglied. Bei den Vorstandswahlen vergangene Woche verweigerten ihm zwei Drittel der Fraktionsmitglieder ihre Stimme. „Das kam für alle überraschend, war im Vorfeld nicht zu erahnen“, sagte ein Abgeordneter. Jürgens „ist einer, der offen seine Position vertritt und manchen Leuten auch mal vor den Kopf stößt“, meinte ein anderer. Für Fraktionschefin Kerstin Kaiser ist Jürgens ein „politisches Talent“, aber „offensichtlich ist es ihm nicht gelungen, die Fraktion von seiner Arbeit zu überzeugen“. Das könnte teilweise auch auf Kaiser selbst zutreffen, für die bei ihrer Wiederwahl als Fraktionschefin ebenso wie für Christian Görke als parlamentarischer Geschäftsführer knapp 70 Prozent der Abgeordneten stimmten, vor einem Jahr waren es 91 Prozent.
In der Fraktion herrscht Unzufriedenheit nach einem Jahr Regierungsverantwortung in der Koalition mit der SPD. Es gibt einen harten Kern, der lieber wieder in der Opposition sitzen würde, wo man die eigene Position leichter vertreten könne und keine, den eigenen Wählern schwer vermittelbaren Kompromisse wie in Sachen Braunkohle eingehen müsse. Andere sagen: „Wir fühlen uns nicht mitgenommen.“ Statt wie in der Opposition einzelne Positionen ausgiebig auszudiskutieren zu können, herrsche in der Koalition stets Hektik. „Aber wir haben immer noch das Bedürfnis wie früher alles abzuwägen“, heißt es. „Heute wird eher informiert, als diskutiert. Viele finden sich nicht mehr wieder in den Themen. Da gibt es Unmut über den Führungsstil, wenn die Sachen von oben durchgestellt werden.“
Die Fraktionsspitze will darauf reagieren. Als Konsequenz aus den Wahlergebnissen habe sich der Vorstand darauf verständigt, die Transparenz und Kommunikation zu verbessern, sagte Kaiser den PNN. Die Arbeit in einer Regierungsfraktion sei aber ein schwieriger und kein widerspruchsfreier Prozess für alle Abgeordneten. „Es muss uns zukünftig besser gelingen, den Meinungsbildungsprozess in der die Fraktionen intensiver zu führen und dann auch zu entscheiden.“ Es müsse „noch mehr Vertrauen aufgebaut werden“.
Warum Jürgens aber so schlecht bei der Vorstandswahl abschnitt, das will er nun selbst in Gesprächen mit seinen Fraktionskollegen klären. Bislang wird darüber nur spekuliert. Unmut hatte er etwa nach der Sommerpause ausgelöst; Fraktionschefin Kaiser selbst schritt ein: Jürgens hatte als Mitglied der Enquete-Kommission zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit einen gemeinsam mit dm Historiker der Stasi-Unterlagenbehörde Helmut Müller-Enbergs formulierten Untersuchungsauftrag zum Elitenwechsel formuliert. Darin ging es auch um die Aufarbeitung der Stasi-Fälle in allen fünf, seit 1990 gewählten Landtagen. Die Fraktion kassierte die Passage, Jürgens war düpiert. Müller-Enbergs sagt: „Für mich verkörpert er einen modernen linken Politikertypus, der nicht mehr die Kette der Honecker-Ethik hinter sich her schleppen muss.“ Kaiser sagt, das Kommissions-Papier sei nicht der Grund für die Ablehnung bei der Wahl. „Das ist von allen widerlegt.“ Stattdessen verweist Kaiser darauf, dass "Peer versäumt hat, wie vereinbart eine Debatte über den Umgang mit neuen Medien anzustoßen". „Nicht alle waren daher der Meinung, dass er in den Vorstand gehört.“ Es ist auch ein Generationenproblem: Eine halbe Minute nach Kaisers Wiederwahl stand das Ergebnis schon auf Jürgens Seite beim sozialen Netzwerk Facebook im Internet, was für Ärger sorgte. Wenig später fiel er bei den Genossen durch. Ein Abgeordnete meint: „Ein Jahr Findungszeit ist noch lang nicht genug.“
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