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Polizei ehrt mutige Schüler aus Kleinmachnow und Berlin: Die Mutbürger
Weil zwei Schüler aus Kleinmachnow und Zehlendorf einschritten, wurde ein Schläger gefasst. Nun zeichnete die Polizei sie aus.
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Berlin/Kleinmachnow - Als er sah, wie der Typ im Bus 150 in Berlin-Zehlendorf brutal zuschlug, dachte Felix Hoffmann: „Das kann doch nicht wahr sein, da wird einer verprügelt und es passiert nichts!“ Erst waren er und sein Schulfreund Johannes Koch geschockt, „ja fassungslos“, sagt Johannes. Dann packte beide die Wut. Zugleich sorgten sie sich um das Opfer, einen 14-jährigen Jungen, der nur vier Sitzbänke vor ihnen saß. Sie kümmerten sich kurz um ihn, dann jagten sie vom nächsten Busstopp aus dem Täter hinterher, stellten den Jugendlichen zur Rede, fotografierten ihn – und trugen so zu dessen Festnahme bei. Für diesen „selbstlosen Einsatz“ dankte ihnen am Mittwoch die Berliner Polizei. Solche öffentlichen Belobigungen führen Berlins sechs Polizeidirektionen immer dann durch, wenn sich Bürger besonders couragiert verhalten haben. Sie wollen damit auch andere motivieren, bei Übergriffen mutig, aber zugleich besonnen zu reagieren – also ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.
Felix Hoffmann aus Zehlendorf und Johannes Koch aus Kleinmachnow sitzen am Mittwochvormittag vor der versammelten Presse im Konferenzsaal der Polizeidirektion 4 in Lankwitz. Zwischen ihnen hat die Leiterin der Abteilung Kriminalitätsbekämpfung, Heike Pataniak, Platz genommen und überreicht den beiden Urkunden sowie jeweils 40 Euro als Dankeschön für „den mutigen Einsatz“.
Mit Felix, 18 Jahre alt, kräftig, sportlich als Ringer engagiert, möchte man sich nicht anlegen. Johannes, ein Jahr jünger, schlanke Statur, wirkt gleichfalls recht selbstbewusst. Beide gehen aufs Zehlendorfer Schadow-Gymnasium.
Auf einmal schlug ein Junge heftig zu
Wie erlebten die beiden den Vorfall einer „gefährlichen Körperverletzung“, wie es später die Polizei formuliert? Es war am Nachmittag des 14. April gegen 15 Uhr, als sie nach Unterrichtsschluss im Oberdeck des Doppelstockbusses Richtung Kleinmachnow heimfuhren. Schon kurz nach dem Zehlendorfer Bahnhof beobachteten sie, wie vier 14- bis 15-jährige Jugendliche einen 14 Jahre alten Schüler, den beide vom täglichen Schulweg kannten, „beschimpften, anpöbelten und anrempelten“. Dann hob ein Junge des aggressiven Quartetts urplötzlich die Faust und schlug sie seinem Gegenüber heftig ins Gesicht. In diesem Moment stoppte der Bus, Täter und Komplizen sprangen hinaus und rannten zurück Richtung S-Bahnhof Zehlendorf.
Felix und Johannes nahmen vom nächsten Busstopp aus die Verfolgung auf. Waren sie denn die Einzigen, die dermaßen entschlossen reagierten? „Na ja, etliche andere Schüler im Oberdeck hörten Musik, hatten Kopfhörer auf“, sagt Felix, „die bekamen nichts mit.“ Er und sein Freund riefen nun Schulkameraden an, die noch am S-Bahnhof standen. Die bestätigten, dass gerade vier Typen angekommen waren. Also beschleunigten die zwei, erkannten den Täter und seine Komplizen am Gleis und sprachen sie an. „Schlagt uns doch“, höhnten diese.
Keine Entschuldigung beim Opfer
Felix und Johannes wollten aber nur reden. Wie man Aggressionen stoppt und deeskalierend wirkt, hatten sie bei Präventionskursen der Polizei in der Grundschule gelernt. „Wir forderten den Täter auf, sich beim Opfer zu entschuldigen“, sagt Johannes. Das habe dieser vehement abgelehnt, an die zwei älteren Schüler wagte er sich aber nicht heran. So fotografierte ihn Felix blitzschnell mit dem Handy, bevor er sich die Kapuze vors Gesicht ziehen konnte. Die Bilder sandten sie der Polizei. Damit konnte sie den Täter an seiner Schule im selben Bezirk binnen 24 Stunden ermitteln.
Hatten die zwei Abiturienten bei ihrem Einsatz irgendwann Angst, das in die Enge getriebene Quartett könnte ihnen etwas antun? „Nein, es war ja helllichter Tag“, sagen beide. „Der Bahnhof war bevölkert, lauter Zeugen drumherum.“ Im Notfall wären sie weggerannt. Es war das erste Mal, dass sie eine solche Gewalttat auf dem Schulweg erlebten. Allerdings würden Jugendbanden inzwischen öfter als noch vor einigen Jahren durch Zehlendorf ziehen, um junge Leute auf der Straße zu bedrohen und zu berauben. „Im Sommer auch abends am Schlachtensee“, sagt Felix. In der Polizeistatistik schlägt sich diese Erfahrung allerdings nicht nieder. Im Vergleich mit anderen Bezirken sei die Zahl der Übergriffe in Steglitz-Zehlendorf seit Längerem auf eher niedrigem Niveau konstant geblieben, heißt es.
Felix Hoffmann streicht sich mit der Hand über die kurz geschnittenen, dunklen Haare und schüttelt den Kopf. „Das Opfer hatte eine riesige Beule im Gesicht“, sagt er. „Wenn ein 14-Jähriger schon derart brutal zuschlägt, was macht der erst, wenn er älter ist?“
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