Brandenburg: „Die Partei mit dem Land verwechselt“
Der Links-Kurs der SPD sorgt für heftige Kritik beim Koalitionspartner CDU – der will Platzecks Sozialpaket nicht mittragen
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Potsdam - Der Linksschwenk der märkischen SPD in Richtung Sozialticket und Schüler-Bafög wird am kommenden Wochenende den Koalitionsausschuss von SPD und CDU beschäftigen. Das Schlichtungsgremium für besonders strittige Themen der Regierung war von Regierungs- und SPD-Landeschef Matthias Platzeck einberufen worden.
Ob es in dem Gremium zu einer Einigung kommen wird, galt gestern als unwahrscheinlich: Die CDU hat gestern ihre Kritik am neuen Links-Kurs ihres Koalitionspartners erneuert und verschärft. Nachdem die Sozialdemokraten am Freitag überraschend ein Sozialpaket geschnürt hatten, das unter anderem die Einführung eines landesweit gültigen Sozialtickets für Busse und Bahnen vorsieht und jährlich etwa mit zwölf Millionen Euro aus der Landeskasse subventioniert werden soll, kündigte die CDU-Spitze gestern an, diese Maßnahmen nicht mit zu tragen. CDU-Landes- und Vizeregierungschef Ulrich Junghanns warf der SPD vor, mit ihrem Linksschwenk „einen Irrweg“ zu beschreiten, „wenn sie mit der Linkspartei in einen Wettbewerb darum eintritt, wer die meisten Wahlgeschenke unter das Volk bringt“. Junghanns mahnte den Koalitionspartner, „zur Vernunft“.
Für zusätzlichen Wirbel hatte gestern SPD-Fraktionschef Günter Baaske gesorgt. Der hatte erklärt, „das Land sei bereit, das kreisübergreifende Ticket für bedürftige Brandenburger mit bis zu etwa 2 Mio. Euro zu unterstützen“. Der stellvertretende Regierungssprecher Mario Fassbender erklärte dazu auf Nachfrage: „Einen solchen Beschluss der Landesregierung gibt es nicht.“
Der Vizechef der märkischen CDU, Sven Petke, sagte gegenüber den PNN: „Da hat Herr Baaske wieder die seine Partei mit dem Land verwechselt.“ Was die SPD wolle, wolle das Land nicht automatisch. Für CDU jedenfalls, so Petke, gehe es um die Glaubwürdigkeit ihrer Politik der vergangenen Jahre: „Wir haben nicht jahrelang eine Politik der Konsolidierung der Landesfinanzen betrieben, um nun das Geld zu verfrühstücken“, so Petke.
Das Sozialpaket der SPD nannte er „Stimmenkauf für die Kommunalwahl auf Kosten der Steuerzahler“. Die SPD laufe nur blind den Forderungen der Linkspartei hinterher. Mit der CDU sei ein solcher Kurs nicht umsetzbar, so Petke: „Mit uns kann man über Entlastungen für Familien, und arbeitende Menschen und die Leistungsträger der Gesellschaft reden – aber nicht nur über die Erfüllung der Wünsche der Linkspartei.“ Bei Brandenburgs SPD stelle „sich die Frage, wer die Partei momentan eigentlich führt: Landeschef Platzeck oder Linken-Chef Thomas Nord“. „Momentan sieht es so aus, als ließen sich die Sozialdemokraten vom Links-Chef führen“, so Petke.
Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Lunacek warf dem Koalitionspartner gestern vor, nicht mehr berechenbar zu sein: Erst vor vier Wochen habe die CDU „auf maßgebliches Betreiben der SPD“ im Landtag die Einführung eines Sozialtickets abgelehnt, sagte Lunacek gegenüber dpa. Zugleich sollte bis Jahresmitte untersucht werden, wie das Sozialticket in den Kreisen angenommen wird, die über eine Einführung nachdenken.
Vor vier Wochen erst hatten CDU und SPD im Landtag eine Volksinitiative für ein Sozialticket abgelehnt. Die Volksinitiative war von der Linken, den Grünen, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften organisiert worden. Dabei kamen mehr als 32 000 Unterschriften zusammen. Das Sozialticket soll nach dem Willen der Initiatoren für Empfänger von Sozialleistungen eingeführt werden und nur halb so viel kosten wie die in den Landkreisen üblichen Umweltkarten. Für das Land würden Zusatzkosten in Höhe von rund fünf Millionen Euro pro Jahr anfallen.
Nach PNN-Informationen hatte die SPD schon während der Ablehnung der Volksinitiative im Landtag im Verkehrsministerium und beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) nachrechnen lassen, was ein landesweites Sozialticket kosten würde.
Während die maßgeblich von der Linkspartei gestützte Volksinitiative ein Ticket für 38 Euro für einen Landkreis anstrebt, will die SPd nun ein 30-Euro-Ticket für das gesamte Land einführen. Finanziert werden soll dies aus dem Etat des Verkehrs- statt des Sozialministeriums.
Die Volksinitiative zur Einführung des Sozialtickets hat unterdessen gestern ungeachtet des SPD-Vorstoßes den Antrag für ein Volksbegehren bei Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) eingereicht. „Damit machen wir weiter Dampf“, sagte die Verkehrsexpertin der Linksfraktion im Landtag, Anita Tack. Nachdem das Parlament die Volksinitiative zurückgewiesen habe, solle das Sozialticket nun über das Volksbegehren durchgesetzt werden. Peter Tiede (mit dpa und ddp)
Peter Tiede (mit dpa, ddp)
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