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Brandenburg: „Die PDS war schon einmal weiter“

Interview mit dem PDS-Wirtschaftsexperten Ralf Christoffers über Turbulenzen der Bundespartei und den Absturz in Brandenburg

Stand:

Herr Christoffers, Sie sind beunruhigt über die Entwicklung der Linkspartei, warum?

Ich finde es richtig, dass die Bundespartei den Zusammenschluss mit der WASG offensiv betreibt, es einen konkreten Zeitplan gibt. Wo ich Diskussionsbedarf sehe: Wir haben noch sehr viel zu tun, um ein gemeinsames tragfähiges programmatisches Profil zu bestimmen. Die Linkspartei sollte die Debatte intensiver führen und nicht Politikansätze, die 16 Jahre hart erarbeitet worden sind, generell in Frage stellen.

Das deckt sich mit der Kritik von PDS- Fraktionschefin Kerstin Kaiser an der Regierungsunfähigkeit der Bundespartei. Im Klartext: Ist das von Oskar Lafontaine geprägte Gründungsmanifest für die neue Linke zu fundamentalistisch?

Ich sehe Klärungsbedarf. Das betrifft erstens das künftige Verhältnis zur EU und ihren Institutionen. Europa ist mehr als ein neoliberales Projekt. Wir brauchen dringend eine europäische Verfassung. Zweitens muss über die realen Einflussmöglichkeiten der Linkspartei im Bund, in Ländern und Kommunen gesprochen werden. Man kann nicht, wie manche meinen, jeden Beschluss einer Bundespartei oder Bundestagsfraktion 1:1 in Ländern oder Kommunen umsetzen. Drittens muss der Eigentumsbegriff berücksichtigen, dass es das von einigen schematisch propagierte öffentliche Eigentum so gar nicht gibt: Es gibt Eigentum von Bund, Ländern und Kommunen.

Leben wir im „Raubtierkapitalismus“, wie es im Manifest heißt?

Mein Sprachgebrauch ist das nicht. Ich kann auch keine große theoretische Leistung darin erkennen, Globalisierung durch den Begriff Kapitalismus zu ersetzen. Das bringt uns nicht weiter.

Von Begriffen abgesehen: Ist das Manifest realitätstauglich?

Es sind noch intensive Debatten nötig, um es realitätstauglich zu machen. Ohne ein tragfähiges theoretisches Fundament, das auf neue Herausforderungen wie Globalisierung, Demografie und sinkende Finanzen zugeschnitten ist, wird die neue Linkspartei nicht politikfähig sein.

Die PDS war also schon einmal weiter?

Das ist eindeutig der Fall. Andererseits ist es nachvollziehbar, dass eine anders geprägte Bewegung wie die WASG auch andere Positionen einbringt. Die Bildung einer neuen Partei ist immer kompliziert und der Ausgang offen.

In Brandenburg ist die PDS in den Umfragen gegenüber 2004 abgestürzt, die Wähler schreiben ihr anders als zur Landtagswahl 2004 nur noch geringe Kompetenzen zu. Worauf führen Sie das zurück?

Zunächst einmal: 24 Prozent zwischen Wahlen sind ein normaler Wert. Das entspricht unserem Potenzial. Aber die geringen Kompetenzzuweisungen sind tatsächlich ein ernstes Problem. Wir müssen unsere Kompetenz zeigen. Zum Beispiel, in dem wir ein eigenes Leitbild für die Entwicklung Brandenburgs in den nächsten Jahrzehnten vorlegen. Daran kann man uns messen.

Ist die geringe Kompetenzzuweisung nicht ein Indiz für fehlende Regierungsfähigkeit auch der märkischen PDS?

Die Brandenburger PDS ist regierungsfähig. Aber wir müssen aufpassen: Die schlechten Kompetenzwerte dürfen nicht zu einem strukturellen Defizit führen. Es darf nicht passieren, dass der PDS dauerhaft Nichtkompetenz zugeschrieben wird. Wir sollten offen diskutieren, welche Konsequenzen wir aus der Momentaufnahme und aus Defiziten ziehen.

Konkret?

Ein Beispiel: Die Landesregierung hat ihr Leitbild für Brandenburg bereits präsentiert – wir wollen unseren Entwurf aber erst zum Jahresende vorlegen. Das macht es für uns in der aktuellen Auseinandersetzung nicht einfach. Wir müssen unsere konzeptionelle Arbeit beschleunigen. Und wir müssen uns verständigen, was unter veränderten Bedingungen in Brandenburg künftig den Kern der öffentlichen Daseinsvorsorge ausmachen soll und kann, ohne dass der Verfassungsgrundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse verletzt wird.

Ein Abrücken vom Gerechtigkeitsprinzip?

Überhaupt nicht. Aber gleichwertige heißt nicht gleichartige Lebensverhältnisse. Es hat aber sehr viel mit gleichen Chancen zu tun. Die Linkspartei in Brandenburg ist auch gefordert, ihre Haltung zur Fusion mit Berlin zu klären.

Für viele Brandenburger, für viele Genossen ist die Fusion ein Reizwort.

Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Fusion offensiv angehen. Meine persönliche Auffassung: Mittelfristig führt an der Vereinigung von Brandenburg und Berlin kein Weg vorbei. Es kann eine Chance für die Region sein. Die PDS sollte aktiv daran mitwirken, wie das gemeinsame Land aussehen soll.

Die PDS will nach der Landtagswahl 2009, also nach fast 20 Jahren Opposition, in Brandenburg endlich mitregieren. Sehen Sie wirklich eine reale Chance?

Ob es dazu kommt, wird natürlich davon abhängen, wie sich die PDS bis 2009 profiliert, wie die Partei öffentlich wahrgenommen wird, welches Personal sie aufbietet. Aber auch davon, wie die Koalition von SPD und CDU an ihre inhaltlichen und persönlich-mentalen Grenzen stößt. Ich sehe gute Chancen für einen Regierungswechsel 2009.

Warum will die PDS in schwierigen Zeiten mitregieren?

19 Jahre Opposition sind eine sehr lange Zeit. Die PDS steht in der Verpflichtung, den Nachweis anzutreten, dass sie fähig ist, ihre politischen Ziele auch in Regierungsverantwortung umzusetzen. 2009 wird für die Partei in Brandenburg deshalb ein entscheidendes Jahr. Wir wollen zeigen, dass Brandenburg mit der PDS besser regiert werden kann.

Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner

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