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Brandenburg: Die Politik ist“s, sonst nichts

Gerd Appenzeller

Stand:

Es gibt ein paar Voraussetzungen dafür, dass zwei Menschen miteinander können. Die wichtigste davon ist: Vertrauen. Wenn einer das Gefühl hat, dass er vom anderen über den Tisch gezogen wird, dann nennt man das vielleicht beschönigend eine Beziehungskrise. Meistens ist es aber das Ende der Partnerschaft. An diesem Punkt sind im Moment die Regierungen der Länder Berlin und Brandenburg, auch wenn sie beredt das Gegenteil behaupten. Die Glaubwürdigkeit ihrer Bekenntnisse zu einem engeren Miteinander, gar irgendwann zu einer Fusion, haben die Bekenntnisschwere und den Verpflichtungsgrad jenes „ernsthaften Erwägens“, mit dem die G 8 sich mit ihren Klimazielen beschäftigen. Aber Berlin und Brandenburg haben gewiss nicht bis 2050 Zeit.

Die Berliner Wirtschaft, als deren Sprecher sich jetzt die Industrie- und Handelskammer meldete, hat das Gefühl, unter der über beide Bundesländer weit ausgebreiteten Harmoniedecke finde ein Hauen und Stechen um Investitionen und Firmenansiedlungen statt, bei dem die Brandenburger dank unfairer Methoden immer die Nase vorn haben. Tatsächlich sind die Methoden nicht unfair, aber ansonsten ist der Befund richtig. Brandenburg kann, aus eigenem Ermessen und weil das Land von der EU mit einer höheren Förderung begünstigt wird, Firmen bessere Startbedingungen bieten. Und noch eines hat Brandenburg in reichem Maße, woran es Berlin mangelt: Gewerbeflächen. Und so boomen die Kreise rund um Berlin, während das Wirtschaftswachstum in der Hauptstadt selbst lange stagnierte. 250 000 Berliner sind in den letzten zehn Jahren in den sogenannten Speckgürtel gezogen, Menschen, die der Stadt genauso wie ihre Kaufkraft fehlen.

Tatsächlich täuscht der Eindruck nicht, dass die Brandenburger Politik diesem Zufluss an Wirtschafts- und Wachstumspotenzial breite Kanäle öffnete, wo immer das möglich war. Und der für die Berliner Wirtschaft folgenreichste Schlag kommt mit der Eröffnung des Flughafens BBI im Jahre 2011. Bis dahin werden viele Firmen, die jetzt für die Infrastruktur des Flughafens Tegel wichtig sind, nach Schönefeld gezogen sein – und mit ihnen Tausende von Arbeitsplätzen und ein Gewerbesteueraufkommen in zweistelliger Millionenhöhe.

Was einen da nicht wundert, ist, wenn die Berliner Wirtschaft sich rührt. Erstaunlich ist vielmehr, dass die Berliner Politik es nicht tut. Gegen den Leistungsabfluss nach Brandenburg kann weder der eine noch der andere viel machen. Aber Zusammenarbeit erzwingen, wo sie nicht freiwillig kommt, das kann man schon. Tatsächlich genießt Brandenburg alltäglich die Vorteile einer Fusion mit Berlin, ohne die Verantwortung, die Lasten tragen zu wollen. Die Brandenburger Blockade einer weiteren Annäherung der Verwaltung und Strukturen ist kindisch und kurzsichtig. Tatsächlich sitzen die Verweigerer längst nicht mehr in der Bevölkerung, sondern in der Politik. Sie ist es, die sich nicht bewegt. Kein Wunder. Eine Fusion würde sie viele Pfründen kosten. Und Matthias Platzeck trifft mit den Attacken gegen Berlin vor allem den eigenen Wirtschaftsminister. Aber der ist eben von der CDU und vielleicht bei der nächsten Wahl sein Gegenkandidat. Die Menschen hingegen sind verärgert über doppelte Strukturen, über fehlende Bahnlinien, nicht gebaute Straßen und Hindernisse beim Schulbesuch im anderen Bundesland. Was zählt?

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