POSITION: Die Politik und ihr Generalstaatsanwalt
Der plötzliche und gewaltige Mut des Dr. Erardo Rautenberg
Stand:
Am Anfang gab es ein gerechtes Urteil mit deutlichem Tonfall. Der Bundesgerichtshof (BGH) kam zu der Einschätzung, dass der Umgang des Landes Brandenburg mit den Bodenreformerben „eines Rechtsstaates unwürdig“ sei. Die „unzutreffenden Angaben“ des Landes seien geeignet gewesen, die Landkreise „zu täuschen“. Das Land Brandenburg habe die ihm verliehene Vertretungsmacht „missbraucht“; seine Landnahme sei deshalb „sittenwidrig“ und daher nichtig. Das oberste Zivilgericht bescheinigte einer Landesregierung, sie habe gegen die guten Sitten und damit gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen.
Was war geschehen im Dezember 2007? Das Land Brandenburg hatte seit Jahren kaum Bemühungen unternommen, zuteilungsberechtigte Erben von Bodenreformland ausfindig zu machen, wozu es aber verpflichtet war. Stattdessen mühte es sich nach Kräften, das Land auf sich selbst zu übertragen, wozu es in keiner Weise berechtigt war.
Dann sprach der BGH ein Machtwort. Erben, die Medien und die Öffentlichkeit empörten sich zu Recht über eine Regierung, die illegale Landnahme betrieb. Der Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Nur einer schwieg. Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg Erardo Rautenberg zog es vor, besser leise zu bleiben, als der Wind gegen die Brandenburger Regierung wehte, der er seine Ernennungsurkunde zu verdanken hat.
Er zog es nicht nur vor, zu schweigen, sondern er sah auch keine Veranlassung zu handeln. Dies, obwohl das vom BGH gerügte Verhalten zumindest den Verdacht strafbarer Handlungen nahelegte. Doch die Staatsanwaltschaft Potsdam entschied, keine Ermittlungen durchzuführen. Als dann hier gegen Beschwerde einlegt wurde, wies Rautenberg diese mit einer juristisch stümperhaften Begründung zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte keinen einzigen Zeugen gehört. Entscheidungsgrundlage waren lediglich Akten, die die Landesregierung zur Verfügung gestellt hatte. Zur Erinnerung: Ein möglicher Verdacht richtete sich gegen Mitglieder bzw. Mitarbeiter der Landesregierung. Kann eine Staatsanwaltschaft, die nach dem Gesetz die objektivste Behörde der Welt sein soll, ihre Entscheidung über die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungen allein auf Material stützen, das die möglichen Verdächtigen anliefern? Auch als der Untersuchungsausschuss des Landtages begann, das ganze Ausmaß der Affäre zu Tage fördern, blieb der Generalstaatsanwalt sprachlos.
Nun aber brach Herr Rautenberg sein langes Schweigen in einem Gastbeitrag in den PNN. Der Meister der politischen Zurückhaltung fasste sich nunmehr ein Herz. Unter der Überschrift „Wahrheit, Justiz und Politik!“ legte er mit schwülstigen Worten alles dar, was ihm auf der Seele lag. Er nannte die Richter des BGH „Moralapostel“. Einen „Verdacht“ entwickelte er nun aber doch noch: Er vermutete, der harte Tonfall der Bundesrichter sei Folge eines erhöhten Arbeitsaufwandes. Da das Land seinen Revisionsantrag nicht zurückgenommen habe, seien die Richter gezwungen gewesen, ein Urteil zu schreiben. Durch die ganz schmale Blume nannte er die Richter des BGH damit faul und rachsüchtig. Mit dieser Unterstellung greift er die Integrität des höchsten deutschen Zivilgerichtes in unerhörter Weise an. Tonfall und Inhalt dieses Angriffes sind mit der Amtsstellung und der Würde eines amtierenden Generalstaatsanwaltes unvereinbar. Es stellt eine eindeutige Überschreitung seiner amtlichen Aufgaben und eine nicht hinzunehmende politische Parteinahme zugunsten der Landesregierung dar. Aber nicht nur der Inhalt seiner Äußerung lässt Herrn Rautenberg in einem schlechten Licht erscheinen. Auch der Zeitpunkt seines Meinungsbeitrages ist bemerkenswert. Er entdeckt sein Bedürfnis zum Reden punktgenau in dem Moment, als sich sein rechtlicher Status ändert. Bis zum 1. April 2009 konnte er als politischer Beamter jederzeit ohne Begründung in den Ruhestand versetzt werden. Für seine Äußerungen wäre das auch eine angemessen Reaktion gewesen. Nach dem 1. April droht ihm kein Verlust des Amtes mehr. Allenfalls muss er mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das nennt man gnadenlosen Opportunismus. Gleichzeitig können seine Äußerungen auch den Zweck verfolgen, sich der SPD im Herbst als neuer Justizminister anzudienen.
Dafür sprechen auch seine Bewertungen zur Arbeit des Untersuchungsausschusses. Dessen „Wahrheitsermittlung von politischen Erwägungen beeinträchtigt“. Obwohl Herr Rautenberg als Staatsanwalt nicht gerade als Experte für Parlaments- und Zivilrecht gelten kann, wird man ihm zugestehen müssen: Er kennt sich aus „mit politischen Erwägungen“. Die stellt er offenbar reichlich an, wenn er abwägt, ob er spricht, wann und vor allem was. Das mag schlau sein. Es ist aber auch das ganze Gegenteil von mutig.
Nur einmal, im Jahre 1996, war Rautenberg weder mutig noch schlau. Da stellte er ein Verfahren gegen den Ministerpräsidenten Stolpe – laut Focus – mit der öffentlichen Begründung ein: „Für einen Generalstaatsanwalt ist es unangenehm, gegen den Ministerpräsidenten zu ermitteln, der die eigene Ernennungsurkunde unterzeichnet hat. Hätten wir Stolpe eine Lüge nachgewiesen, hätte das schwerwiegende politische Konsequenzen gehabt.“
Der Autor ist ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken im Deutschen Bundestag.
Neskovics Beitrag ist eine Antwort auf eine Position des Generalstaatsanwaltes des Landes Brandenburg, Erardo Rautenberg, die am 2. April in den PNN erschien.
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