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Brandenburg: Die Rentensicherer

Eine Firma in Großbeeren arbeitet Personalunterlagen ehemaliger Treuhandbetriebe auf

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Großbeeren - Die aktuellen Fälle liegen auf einer Palette. Verpackt in Schnellhefter aus ostdeutscher Produktion und zu Türmen aufgestapelt warten sie auf ihre Bearbeitung. Auf fast jedem Papierstapel klebt ein Zettel mit dem Hinweis „EILT“. Doch danach richte sich keiner mehr, sagt Till-Martin Schuldt. „Bei 8000 Anfragen im Monat ist alles ganz dringend“, sagt der Leiter der Rhenus-AG-Niederlassung im brandenburgischen Großbeeren.

Derzeit sind 50 Mitarbeiter im Sicherheitsarchiv des privaten Logistikunternehmens am südlichen Berliner Stadtrand mit den Akten der einstigen Treuhandbetriebe beschäftigt. „In erster Linie lagern wir hier die Akten für die Rentenversicherung“, berichtet Schuldt.

Zudem werden die Unterlagen der in den 90er Jahren abgewickelten Unternehmen ausgewertet. „Im Rahmen eines Rentenantragsverfahrens suchen wir nach Fehlzeiten eines Beschäftigten“, erläutert Schuldt. Dazu wird in den teils mehrere Jahrzehnte alten Unterlagen eines Betriebs nach den entsprechenden Lohnunterlagen eines Beschäftigten gefahndet.

In dem Lager befinden sich auf 7000 Quadratmetern drei Millionen Akten von insgesamt 3500 liquidierten Betrieben. Selbst für die ansonsten mit Archivierungen vertrauten Rhenus-Mitarbeiter stellt dies eine Herausforderung dar: „Zu Beginn mussten wir in zwei Schichten arbeiten, um die Unterlagen überhaupt zu sortieren“, sagt Schuldt über den Beginn der Arbeit im Juli 2007. Mittlerweile hätten die Sachbearbeiter die Aktenberge aber im Griff. „Eine bis höchstens zwei Wochen brauchen wir für eine Anfrage.“ Bereits mehr als 60 000 Erwerbskonten seien geklärt worden.

Erleichternd komme hinzu, dass die Erwerbszeiten in der DDR nahezu lückenlos dokumentiert wurden. „Meist fehlen nur wenige Wochen. Nur in seltenen Fällen betragen die fehlenden Zeiten mehr als einen Monat“, erläutert Schuldt. Probleme bereiteten den Sachbearbeitern dagegen jene Fälle, in denen die einstigen Treuhand-Liquidatoren unsauber gearbeitet hätten. „Wenn die Beschäftigten bei der Abwicklung nur mit den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen erfasst wurden, sucht man unter M schon recht lange nach dem richtigen Herrn Müller“, berichtet eine Sachbearbeiterin über die manchmal mühevolle Kleinarbeit. Verschwunden sei aber noch niemand, fügt sie beruhigend hinzu.

Mit 8000 Betrieben und sechs Millionen Beschäftigten galt die mit der Abwicklung der DDR-Wirtschaft beauftragte Treuhandanstalt zeitweise als der weltgrößte Konzern. Und fast 20 Jahre später war der Transport ihrer Akten noch immer rekordverdächtig. „Die Zusammenführung der Unterlagen aus sechs Einzeldepots der Treuhand nach Großbeeren war der größte Archivumzug in Europa“, sagt Schuldt.

Exakt 502 Sattelschlepper seien dafür nötig gewesen. „Aneinander gereiht ergeben die Akten eine Wegstrecke von 250 Kilometern.“ Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin hofft man, dass der Aktenberg nun kleiner wird. „Bis ins Jahr 2011 hat der Gesetzgeber die Lagerung der Akten nochmals verlängert. Bis dahin müssen die Unterlagen abgearbeitet sein“, sagt Walter Glanz, Rentenexperte bei der BfA. Trotz des hohen Arbeitstempos bei Rhenus drängt er aufs Tempo. „Bei schätzungsweise 300 000 ungeklärten Fällen könnte es bis zum Fristende knapp werden“, sagt Glanz. Er appelliert an ehemalige Beschäftigte der Treuhandbetriebe: „Wer bis dahin keinen Antrag auf Überprüfung seiner Fehlzeiten geltend gemacht hat, riskiert Einbußen.“ Michael Klug

Michael Klug

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