
© ZB / Patrick Pleul
Die schmackhaften Zersetzer: Winterpilze haben jetzt Hochsaison
In der kalten Jahreszeit verbirgt sich im Laubwald für Kenner manch schmackhafte Pilzart. Unkundige sollten aber Berater wie Lutz Helbig zur Seite haben.
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Lutz Helbig ist überzeugt: „Das könnte eine Mahlzeit werden, von der man satt wird.“ Der Pilzsachverständige steht an diesem Wintertag in einem Waldstück bei Drebkau in Südbrandenburg und zeigt auf Austernseitling, Samtfußrübling und Judasohr. Für manchen Laien sind diese Winterpilze nicht sofort zu erkennen – für den Fachmann ist das kein Problem. Pilzsaison sei eigentlich das ganze Jahr, auch in den Wintermonaten, von November bis Februar zum Beispiel, können Kenner den Korb für schmackhafte Gerichte füllen.
Die essbaren Winterpilzarten sind derzeit in Laubwäldern auf Totholz zu finden, etwa an Birken, Buchen, Linden oder Robinien. Sie brauchen zum Wachsen einen Kältereiz mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und Niederschlag, Sammler können durchaus fündig werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich Interessierte auskennen, denn beispielsweise der schmackhafte gelb-orangefarbene Samtfußrübling könnte auch mit dem Trompetenschnitzling oder dem tödlich wirkenden Gift-Häubling verwechselt werden, warnt Helbig.
„In diesem Wald mit viel Totholz würde niemand auf die Idee kommen, Pilze zu suchen, das sind typische Winterhabitate“, freut sich der Pilzfachmann, der Austernseitlinge gern in der Küche verarbeitet, etwa bei der Zubereitung von Gulasch. Er gibt den Tipp, sie wegen des Aromas vorher anzubraten. Laut Experten sind Austernpilze aufgrund ihres hohen Proteingehalts besonders für Vegetarier und Veganer interessant. Zudem wird ihnen eine heilende Wirkung nachgesagt.
Helbig zeigt auf seinem Gang durch den Wald auf ein anderes totes Holzstück, an dem Pilze wachsen, die wie Ohrmuscheln aussehen. Judasohren sind Ohrlappenpilze, die häufig auf Schwarzem Holunder zu finden sind, aber auch auf etwa 20 anderen toten Laubgehölzen. Sie sind wegen ihrer knackigen Konsistenz beliebt. Die Pilzart stammt aus dem asiatischen Raum und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in Deutschland nachgewiesen. In der asiatischen Küche wird der Pilz auch als China-Morchel oder Mu-Err-Pilz bezeichnet.
Judasohren verdanken ihren Namen der biblischen Geschichte um den Jesus-Verräter
Der Pilzsachverständige erzählt in diesem Zusammenhang auch gern die bekannte Geschichte des einprägsamen Namens. Nachdem Judas den Verrat an Jesus begangen hatte, soll er sich an einem Holunderstrauch aufgehängt haben. Als Zeichen Gottes sollen die Ohren von Judas anschließend aus dem Stamm des Strauches gewachsen sein.
Die von ihm genannten Arten sind Saprophyten – sogenannte Zersetzerpilze. Helbig nennt sie auch die „Recycler der Natur“. Sie ernähren sich von abgestorbenen pflanzlichen oder tierischen Überresten. Gemeinsam mit Bakterien zersetzen sie diese, sodass die organischen Ausgangsstoffe dem Naturkreislauf wieder zurückgeführt werden. „Sie zerbasteln das, was an Holz und organischer Substanz da ist, wieder in Humusbestandteile, davon profitieren Pflanzen und Tiere“, sagt Helbig, der auch Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) ist. Seit mehr als 100 Jahren versammelt sie Pilzkundler und Freunde der Gewächse.
Nach DGfM-Angaben gibt es über 13.600 Großpilzarten in Deutschland, nur ungefähr 200 davon sind essbar, etwa 150 von ihnen giftig. Bei zehn Arten könnte der Verzehr für Menschen tödliche Folgen haben.
Ganz und gar ungefährlich ist der Goldgelbe Zitterling, der jetzt im Winter zu finden ist – ein essbarer Pilz, der sich parasitisch ernährt. Er lebt von anderen holzzersetzenden Pilzen, erklärt Lutz Helbig. Zudem ist er geruch- und geschmacklos und werde eher für Soßen verwendet.
Auch nicht essbare oder ungenießbare Winterpilze haben derzeit Hochsaison. In einem Waldstück könnte er derzeit bis zu 50 Arten ausmachen, schätzt Helbig. Darunter seien ungenießbare wie die Schmetterlingstramete oder der Zunderschwamm. Auch der nicht essbare Gestreifte Teuerling kann als Herbstvertreter im Winter noch entdeckt werden. Hinter dem Namen verbirgt sich laut Helbig wieder eine Sage. Der Überlieferung zufolge befürchteten Menschen im Mittelalter bei einem vermehrtem Auftreten des Pilzes – dessen Sporenbehälter an Geldmünzen erinnern – Teuerungen.
Beim Pilzsammeln sollten sich Neugierige nicht selbst überschätzen, warnt der Fachmann. Wenn zu wenig Kenntnis da ist oder Zweifel bei der Bestimmung aufkommen, sollte immer eine der Pilzberatungsstellen im Land aufgesucht werden. Von einer App zur Pilzbestimmung rät der Experte ab, Hilfe für Anfänger könne eher ein Pilzbuch bieten. „Wir reden über Nahrungsmittel, bei dem es um Leben und Tod gehen kann“, betont Helbig.
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