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Brandenburg: Die Sorgfaltspflicht des Parlaments

Das Landesverfassungsgericht entscheidet über die Normenkontrollklage gegen die neue Finanzierung der freien Schulen

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Potsdam - Bis Januar will Brandenburgs Verfassungsgericht entscheiden, ob die neue von Rot-Rot durchgesetzte Finanzierung der freien Schulen im Bundesland und das damalige Gesetzgebungsverfahren verfassungsgemäß sind. Am gestrigen Freitag verhandelte das oberste Gericht des Landes über die Normenkontrollklage von 31 Oppositionsabgeordneten der vergangenen Landtags-Wahlperiode. Sie halten das Gesetzgebungsverfahren und das Finanzierungsgesetz aus dem Jahr 2011 für verfassungswidrig und durch Kürzungen existenzgefährdend für die freien Schulen. Wie Gerichtspräsident Jes Möller nach Ende der mündlichen Verhandlung sagte, habe das Gericht drei Monate Zeit, um eine Entscheidung zu verkünden.

Den Schwerpunkt der Verhandlung legte das Gericht auf die Frage, inwiefern der Landtag bereits im Zuge der Gesetzgebung die Folgen seiner Entscheidung für die freien Schulen abwägen muss. Damit griff das Gericht den Hauptpunkt der Normenkontrollklage auf, verfasst von Matthias Dombert, der von 1993 bis 2009 selbst Richter am Landesverfassungsgericht war und in Potsdam eine auf Verwaltungs- und Verfassungsrecht spezialisierte Kanzlei unterhält. Er forderte vom Gericht, „Neuland zu betreten“, indem es Anforderungen an das Landesparlament für Gesetzgebungsverfahren formuliert. Nötig sei ein transparentes und dem Parlamentsvorbehalt entsprechendes Prozedere, wenn es um das Grundrecht, freie Schulen zu errichten, und den in der Landesverfassung festgelegten Anspruch auf einen Finanzierungszuschuss des  Staates geht. Demnach müsste der Landtag durch seine Sorgfaltspflicht in solchen Fragen eine transparente Abwägung treffen, die auch den Grundrechtsschutz – auch der freien Schulen als Minderheit – und die Folgen für ihre Existenz berücksichtigt. Dies würde zudem das Parlament im Binnenverhältnis zur Landesregierung stärken, die bisher ihre Gesetzentwürfe durchsetze.

Die Vertreter von CDU, Grünen und FDP, die die Normenkontrollklage eingereicht hatten, kritisierten ausdrücklich, dass das Gesetzgebungsverfahren 2011 nicht transparent und nachvollziehbar gewesen sei. Der Landtag habe sich nicht ausreichend mit den Folgen der Neuregelungen befasst und sei nicht ausreichend beteiligt worden. Zudem bezweifeln sie, ob die neue Berechnungsgrundlage verfassungskonform ist. Denn die Zuschüsse werden mit einer mathematischen Formel errechnet, niedergelegt vom Ministerium per Verwaltungsvorschrift. Dem Parlament ist jeder Zugriff darauf – durch das eigene Gesetz – verwehrt, es muss nur in Kenntnis gesetzt werden. Wichtige Entscheidungen über die Mittel für die freien Schulen würden nun im Bildungsministerium statt im Landtag getroffen, kritisierte der CDU-Abgeordnete Henryk Wichman.

Von Seiten der Landesregierung hieß es, durch die Neuregelung profitierten die freien Schulen auch von Verbesserungen an öffentlichen Schulen wie der Verringerung der Pflichtstundenzahl für Lehrer an staatlichen Schulen. Mögliche negative Folgen durch das Gesetz könnten zudem auch im Nachhinein korrigiert werden. Ob diese Prüfung durch Gesetzgeber und Regierung im Nachhinein ausreicht, muss das Gericht nun prüfen.

Der Rechtsvertreter der Landesregierung, Jörg Ennuschat, erklärte, das Privatschulwesen sei nicht durch die Neuregelungen in seinem Bestand gefährdet. Derzeit gebe es mehr als 170 freie Schulen von fast 90 Schulträgern. Ziel des Gesetzes sei nicht, „die Rote Karte zu zücken“ und den Privatschulen Probleme zu bereiten, sagte Ennuschat. Garantien für einzelne Schulen könne es jedoch nicht geben. Für das kommende Schuljahr seien 14 Anträge für neue freie Schulen eingereicht. Was er nicht erwähnte: Tatsächlich hat sich die Zahl der freien Schulen seit 2011 nur um eine auf 170 erhöht. Ennuschat widersprach auch der Auffassung, die Existenz der freien Schulen müsse gesichert sein. Die Landesregierung müsse lediglich dafür sorgen, dass das Ersatzschulwesen insgesamt nicht in Gefahr gerät und es etwa nur noch in wohlhabenden Gegenden wie Potsdam freie Schulen gibt.

Die freien Schulen dagegen beklagen massive Probleme, weil das Geld nicht mehr ausreiche. Zehn Prozent aller Schüler besuchen freie Schulen. 2014 sinken die Zuschüsse um rund 13,2 Millionen, bis 2015 um 14,3 Millionen Euro.

nbsp;Alexander Fröhlich

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