
© Matthias Matern
Brandenburg: „Die Späthsche Erle hat alle geschlagen“
Seit 2010 suchen Berliner Wissenschaftler in Kleinziethen nach dem Alleebaum der Zukunft. Jetzt legen sie eine Zwischenbilanz vor und entscheiden, welche Art für den ultimativen Härtetest in Frage kommt
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Kleinziethen - Die Ungarische Eiche und vor allem die Späthsche Erle haben sich bewährt. Der Taschentuchbaum und der Papiermaulbeerbaum sind durchgefallen, ebenso der südeuropäische Judasbaum – sehr zu Matthias Zanders Bedauern. Gerade einmal drei der 15 von ihm gepflanzten Exemplare haben überlebt. „Ich war mal im April in Rom und habe ganze Alleen voll blühender Judasbäume gesehen. Das hat mich fasziniert. Wir hatten aber bereits die Vermutung, dass ihm die Winter hier mit bis zu minus 20 Grad zu hart sind“, erzählt der Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität und lässt etwas wehmütig die jämmerlichen Äste eines der letzten südeuropäischen Judasbäume der Versuchsreihe durch seine Finger gleiten.
Mehr als 80 verschiedene, teils exotische Baumarten haben Zander und sein Team vor drei Jahren auf einem rund zweieinhalb Hektar großen Gelände der Garten- und Landschaftsbaufirma Lorberg in Kleinziethen (Dahme-Spreewald) angepflanzt. Dort sollen die Bäume zehn Jahre lang beweisen, ob sie dem strapaziösen Leben eines brandenburgischen Alleebaums besser gewachsen sind als ihre heimischen Verwandten – nach drei Jahren wird es Zeit für eine erste Bilanz.
Zander zufolge leiden heute viele klassische Alleebäume wie die Eiche, die Esche, der Berg- oder der Spitzahorn unter der wachsenden Zahl von Wetterextremen und sind infolge häufig besonders anfällig für Schädlinge wie Pilze oder Raupenlarven. Modellberechnungen, so Zander, gingen von einem Anstieg der Durchschnittstemperatur im Land Brandenburg von zwei bis vier Grad in den nächsten 30 bis 40 Jahren aus. Gleichzeitig sei mit immer häufigeren Trockenperioden zu rechnen. Zudem seien Bäume an Straßen ohnehin durch den Streusalzeinsatz, die Verdichtung der Böden infolge von Baumaßnahmen sowie durch Unfallschäden stark belastet, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. „Es zeichnet sich ab, dass einige bisherige Baumarten den künftigen Anforderungen eines Straßenbaumes nicht mehr genügen. Vermutlich ist das Erscheinungsbild deutscher Alleen in 20 Jahren deutlich exotischer.“
Die Straßenbaum-Testreihe ist eines von 24 Projekten des von der Bundesregierung geförderten Innovationsnetzwerks Klimaanpassung Berlin-Brandenburg (Inka BB). Ziel ist es, Lösungsansätze für zu erwartende Folgen des Klimawandels zu entwickeln. Während sich Zander mit der Auswahl geeigneter Gehölze für die Stadt- und Straßenbegrünung beschäftigt, werden in anderen Projekten Anpassungsstrategien für die Weidenutzung erarbeitet oder Sortenstrategien bei Nutzpflanzen zusammengestellt. Alle Projekte konzentrieren sich auf eine Modellregion, die sich von der Uckermark über Berlin bis in die Lausitz erstreckt.
Für die Kommunen und das Land Brandenburg, die immer wieder schwer kranke oder abgestorbene Straßenbäume ersetzen müssen, könnte die Arbeit von Zander und seinen Kollegen durchaus von finanzieller Bedeutung sein. Rund 400 Euro kostet im Schnitt ein neuer Straßenbaum. Allein der brandenburgische Landesbetrieb Straßenwesen ist für mehr als 600 000 Straßenbäume zuständig.
Bei der Auswahl der Testbäume haben sich die Berliner Forscher vor allem an Gewächse gehalten, die aus sommerheißen und trockenen Regionen der Erde stammen, wie Milchorangenbäume, Japanische Zelkoven, Taschentuchbäume oder Kobushi-Magnolien. Auf dem Kleinziethener Gelände wurden die in Reihe gepflanzten Bäume mit einem Bewässerungssystem ausgestattet. Über Sensoren im Boden wird die Feuchtigkeit gemessen und je nach Bedarf die Wasserzufuhr gesteuert. Simuliert werden drei verschiedene Phasen: optimale Versorgung, moderater Trockenstress und akuter Trockenstress.
Einige Erkenntnisse haben die Wissenschaftler regelrecht verblüfft. „Die Esskastanie hat uns überrascht“, berichtet Zander. „Hat sich als frosthärter erwiesen als gedacht. Den kann ich mir durchaus an einer Straße vorstellen.“ Außerdem habe sich die Kastanie gut aufasten lassen. Zander meint, dass das Bäumchen sich gut hat trimmen lassen. Indem am Stamm sprießende Äste regelmäßig entfernt werden, bildet sich ein weitgehend astfreier hoher Stamm mit einer dichten Krone heraus. In der Regel werden Straßenbäume erst mit einer Stammhöhe von mindestens 2,20 Meter verkauft.
Ebenfalls begeistert ist der Wissenschaftler von der Späthschen Erle. Während viele der anderen Testbäume in der Plantage bereits ihre Blätter weitgehend verloren haben, bilden die Erlen immer noch ein dichtes, grünes Wäldchen. Vor rund 100 Jahren wurde die Erle in der bekannten Berliner Baumschule Späth aufgezogen, geriet dann aber in Vergessenheit und wurde erst in den vergangenen Jahren wiederentdeckt. „Ob bei der Stammdicke, der Gesamthöhe oder der Belaubung: Die Späthsche Erle hat alle anderen Bäume geschlagen“, freut sich Matthias Zander.
Ob sich Erle, Ungarische Eiche und Esskastanie auch unter noch extremeren Bedingungen halten können, wird sich ab dem kommenden Frühjahr zeigen. Insgesamt 36 Bäume sechs verschiedener Arten werden dann direkt neben die Berliner Stadtautobahn nahe der Ausfahrt Späthstraße verpflanzt. „Der ultimative Härtetest für die Besten“, sagt Zander.
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