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Brandenburg: „Die Stadt kann mehr, als dieser Senat erlaubt“

Friedbert Pflüger über seine Berliner Erfahrungen, das Vorbild Richard von Weizsäcker und die Chancen Berlins

Stand:

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme in der Berliner Politik?

20 Prozent Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt der Deutschen sind unerträglich. Ich werde mich damit nie abfinden. Unzählige Berliner fürchten um ihren Arbeitsplatz. Es gibt zu viel Armut, zu viel Diskriminierung in der Stadt. Wenn wir unsere Chance als europäische Metropole nutzen wollen, müssen wir die Gräben zwischen West und Ost, zwischen den unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Nationalitäten überwinden – auf der Grundlage der freiheitlichen Verfassung und des Rechts. Berlin erfüllt für das ganze Deutschland die Aufgabe, Motor zu sein bei der Schaffung der inneren Einheit und des friedlichen Zusammenlebens der Menschen unterschiedlicher Herkunft. Berlin muss Vorreiter werden bei der Suche nach einer neuen Gerechtigkeit durch mehr Freiheit und Selbstverantwortung. Ich werde in den nächsten Wochen jeden Bezirk besuchen und viel zuhören.

Die Berliner CDU hat wenig Profil. Was gehört Ihrer Meinung nach zu einer modernen Großstadtpartei?

Dass sie offen ist für alle möglichen Gruppen in der Bevölkerung, für Familien genauso wie für Alleinerziehende, für gesellschaftliche Minderheiten. Dass sie sich um die Interessen der Menschen intensiv kümmert, um Familienpolitik genauso wie um die Schul- und Bildungspolitik. Sie muss die Modernisierung verbinden mit sozialer Gerechtigkeit und Beiträge für die großen Debatten der Bundespolitik leisten. Wir müssen mitten ins Leben – überall sein, wo die Menschen sich Sorgen machen. Und wir müssen noch mehr auf die fast eine Million neu hinzugezogenen Bürger zugehen. Sie leisten viel für die Stadt. In Mitte zum Beispiel gibt es eine hervorragende CDU-Initiative von Tamara Zieschang. Solche Initiativen werde ich unterstützen!

Wie wollen Sie die Verbindung zur Partei festigen? Wollen Sie auch Landesvorsitzender werden?

Ich will Regierender Bürgermeister werden! Sollten wir es nicht schaffen, bin ich bereit, auch 2011 wieder anzutreten – wenn die Berliner es wollen. Jetzt will ich nicht über den Landesvorsitz der CDU nachdenken. Ich will mich allen Berlinern stellen und um Vertrauen werben.

Man sagt Ihnen nach, dass Sie das „C“ im Parteinamen der CDU sehr ernst nehmen. Finden Sie das Christliche in der Politik der Berliner CDU noch wieder?

Ich bin froh, dass die CDU das „C“ im Namen führt. Für mich ist der christliche Glaube immer ein Korrektiv der Politik gewesen. Aber er ist nicht in dem Sinn Programm, dass sich politische Forderungen direkt daraus ableiten lassen. Das „C“ ist ein Anspruch an uns selbst. Es zeigt: Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Darüber bin mir auch mit gläubigen Muslimen einig. Das „C“ ist allerdings auch eine Aufforderung, auf absolute Ansprüche, Fanatismus und Hass auf Andersgläubige zu verzichten.

Sie kennen Berlin noch aus der Zeit, in der Richard von Weizsäcker hier Regierender Bürgermeister war. Dann haben Sie sich viele Jahre mit Außen- und Sicherheitspolitik befasst. Können Sie auf Ihre Kenntnisse aus der Weizsäcker-Zeit in den frühen Achtzigern aufbauen?

Richard von Weizsäcker war mein Lehrmeister, in fast jeder Beziehung. Ich war sein Redenschreiber, auch wenn das ein sehr hochtrabender Begriff dafür ist, dass ich ihm anfangs nur zuarbeiten konnte. Ich war Referent und dann Büroleiter. Insgesamt acht Jahre habe ich für ihn gearbeitet, und wir waren nicht immer einer Meinung. Aber auch das finde ich vorbildlich: Dass er Mitarbeiter hatte, die – natürlich in respektvoller Art und Weise – auch widersprochen haben. Er ist damals nicht allein angetreten, sondern mit einer ganzen Mannschaft. Das habe ich jetzt auch vor. Wir werden eine hervorragende Mannschaft haben. Es ist jeder willkommen, der mit uns die Stadt voranbringen will. Das Kriterium für die Auswahl der Mannschaft ist nicht Herkunft oder Parteibuch, sondern ausschließlich die Qualifikation.

An wen denken Sie beispielsweise?

Dazu kann und will ich jetzt noch nichts sagen. Ich habe aber den Eindruck, dass ich in der Lage sein werde, eine gute Truppe zusammen zu bringen, wenn die CDU mich in den nächsten Monaten geschlossen unterstützt. Das wäre ein Signal, und wir wären infolge dieses Signals in der Lage, gute Leute zu holen. Außerdem finde ich: Es gibt hier fabelhafte Leute. Wir sollten nicht den Fehler machen, die Chancen Berlins und das, was wir erreicht haben - Biotechnologie, Verkehrstechnik, Kultur - schlecht zu reden. Denken Sie an den aktuellen Erfolg der Freien Universität. Wer hätte das vor wenigen Jahren gedacht? Berlin bietet Ansatzpunkte, um sich zu der europäischen Metropole zu entwickeln. Die Stadt kann mehr, als es der rot-rote Senat erlaubt.

Mit Pflüger sprachen Gerd Appenzeller, Werner van Bebber und Gerd Nowakowski.

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