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Brandenburg: Die Stille nach der Tat

Das Opfer am U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz war Schwedin. Der Tatverdächtige schweigt weiter

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Berlin - Die 20-Jährige, die auf dem U-Bahnhof Ernst-Reuter-Platz in Berlin vor einen Zug gestoßen wurde und starb, war Schwedin. Das bestätigte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Donnerstagnachmittag. Die Mutter der Toten wurde unterdessen von der Polizei vernommen. Die Mutter ist nach Steltners Angaben ebenfalls Schwedin, der Vater Libanese. Die Tochter hatte die deutsche und die schwedische Staatsbürgerschaft.

Der 28-jährige mutmaßliche Täter schwieg auch am Donnerstag weiter. Gegen den psychisch kranken Mann erging am Mittwochabend ein Unterbringungsbefehl wegen Mordes. Er ist in einer psychiatrischen Klinik. Ein Gutachter war zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, der Mann habe eine paranoide Schizophrenie und sei schuldunfähig.

Häufig wird in Fällen wie diesem die Frage laut, warum ein offensichtlich gefährlicher, psychisch kranker Mann nicht eingesperrt werden konnte, bevor eine solche Tat geschieht. „Natürlich hätte man den Täter vorher wegschließen können“, sagte ein Berliner Betreuungsrichter dieser Zeitung dazu. „Das ist im Endeffekt eine Einschätzungsfrage des Gerichts und der Ärzte.“

Er selbst habe es des Öfteren erlebt, dass psychisch Kranke sehr gut einen stabilen, in sich ruhenden Zustand simulieren könnten – nur um sich dann, kaum wieder in Freiheit, vor den Zug zu werfen. Die Unterbringung richtet sich nach dem Gesetz für psychisch Kranke. Sie kann nur durch ein Gericht verfügt werden und geschieht auf Antrag – sei es des Betreuers, sei es des sozialpsychiatrischen Dienstes.

An den Berliner Amtsgerichten hat jeden Tag ein Betreuungsrichter Dienst, der über Anträge auf Einweisung in die Psychiatrie entscheidet. Der Täter im aktuellen Fall dürfte demnach ein typischer Kandidat für ein psychiatrisches Gefängnis sein, also das Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Diese Einschätzung teilt die Staatsanwaltschaft. Der 28-Jährige kam aus Hamburg und steht dort unter Betreuung. In einem Verfahren wegen Sachbeschädigung war er in Hamburg ebenfalls als schuldunfähig eingestuft worden. Zu der Attacke auf die junge Frau war es laut Staatsanwaltschaft gekommen, als der in Hamburg geborene und aufgewachsene 28-Jährige sich erst etwa zwei Stunden in Berlin aufgehalten habe. Er hatte offenbar vergeblich versucht, in einer Obdachlosenunterkunft unterzukommen. Auf dem Weg in eine andere Unterkunft beging er die Tat.

Sein Opfer wählte er demnach nicht bewusst aus: Die Polizei ging nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass sich das Opfer und der mutmaßliche Täter nicht kannten. Das Motiv des Mannes war unklar – falls es überhaupt eins gab. Auf dem U-Bahnhof hatten am Abend Trauernde Blumen abgelegt.

Wenn ein solches Unglück passiert, zieht die BVG den betroffenen Fahrer sofort aus dem Verkehr und lässt ihn psychologisch betreuen. „Wir haben eine große medizinische Abteilung, in der psychologisch geschulte Fachkräfte sich um die betroffenen Fahrzeugführer kümmern“, sagte BVG-Sprecher Markus Falkner. Es setze also sofort eine „hochprofessionelle Betreuung“ ein. Dass jemand vor die Bahn geschubst werde, sei sehr selten - viel häufiger würden Selbstmörder sich vor den Zug werfen. Zahlen nannte Falkner nicht. In Berlin nutzen täglich 1,5 Millionen Fahrgäste die U-Bahn.

Für jeden Triebwagenführer sei es ein schreckliches Erlebnis, weil der Bremsweg des Zuges so lang sei, dass man ihn einfach nicht schnell genug anhalten könne. Man sehe also den Selbstmörder springen und könne absolut nichts tun. Manche Kollegen steckten ein solches Erlebnis schneller weg, andere täten sich damit schwerer, und es gebe auch durchaus Triebwagenführer, die danach niemals mehr eine U-Bahn fahren. Sie würden dann woanders eingesetzt.

Fatina Keilani

Fatina Keilani

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