Brandenburg: Die Teilung Deutschlands Die Föderalismus-Reform spaltet in arme und reiche Länder.
Die Bundesrepublik sollte sich eine neue Vefassung geben, statt die alte nur zu ändern.
Stand:
D ie Bundesrepublik ist zur Zeit gerade dabei, die letzte Teilung Deutschlands von 1949-1989 zu überwinden. Nach der Gründung von zwei Staaten im Jahr 1949 dauert sie 40 Jahre und wurde durch den Bau der Mauer seit dem 13. August 1961 verschärft, sichtbar und zur täglichen Zerstörung von Lebenschancen. Weil die Bundesrepublik an der Einheit Deutschlands festhielt und den Ländern im Osten die Möglichkeit des Beitritts grundgesetzlich sicherte, konnten die Ostdeutschen durch ihre Bürgerrevolution am 09. November 1989 die Mauer überrennen. Es war nach 1871, der Zusammenführung Deutschlands durch Preußen und nach dem dunklen Kapitel der zentralstaatlichen Gleichschaltung der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten der 4. Anlauf zur Einheit Deutschlands.
Mit einem in der Geschichte nicht nur Europas einzigartigen Kraftakt finanzieller Transfers, über 1 Billion Euro seit 1990 und Hunderttausenden, die in beide Richtungen einen personellen Transfer von Kompetenzen ermöglichten, wachsen beide Teile Deutschlands nun zusammen. An manchen Stellen sind blühende Städte zu erkennen, die sich in wenigen Regionen auch zu blühenden Landschaften verdichten. Mit dem Solidarpakt II fließen bis 2019 weitere 156 Milliarden Euro in den Osten, um eine nachholende Entwicklung zu ermöglichen.
Was mit elf Ländern in der relativ beschaulichen Welt der Wettbewerbssituation des Kalten Krieges, der alten BRD, noch einigermaßen funktionieren konnte, funktioniert in den Zeiten der Globalisierung und den Zeiten einer europäischen Integration der 25 EU-Mitgliedsstaaten längst nicht mehr.
Zu Recht wird deshalb seit Jahren eine Föderalismusreform gefordert. Jetzt liegt mit dem Koalitionsvertrag ein Beschluss vor, der durch ein umfassendes Gesetzeswerk in einer ersten Stufe zum 01. Januar 2007 in Kraft gesetzt werden soll. Die zweite Stufe bildet dann die Föderale Finanzreform.
Der „Abstieg des Superstars Deutschland“, wie er sich in den im europäischen Vergleich geringen wirtschaftlichen Wachstumsraten, der außerordentlich hohen Staatsverschuldung, der fünfmaligen Verfehlung der Maastricht-Kriterien und dem Reformstau zeigt, soll damit verhindert werden.
Die Föderalismusreform ist notwendig. Leider ist fast jede Reform besser als keine, weil sie wenigstens die Handlungsfähigkeit der Politik zeigt und für die Zukunft sichert. Wenn die große Koalition die Föderalismusreform, auf die sie sich im Koalitionsvertrag verständigt hat, nicht schafft, ist sie nicht wert, dass sie gebildet wurde. Dann würde sie auch nicht weiter bestehen ohne dass jedoch schon eine Alternative denkbar wäre.
Und dennoch: Wie in einer griechischen Tragödie schürzt sich der Knoten. Die Reform wird zu einer dauerhaften Trennung der Republik entlang des Limes bzw. der alten Grenzen des Ottonischen Reiches, die vor 1000 Jahren durch die Ostexpansion und Missionierung mühsam überwunden wurden.
Die antike Tragödie beginnt mit dem Prolog: Exzellenzinitiative. Rund 1 Milliarde Euro werden vorrangig Hochschulen in Süd- und Westdeutschland zur Verfügung gestellt. Sie haben es sich verdient. Durch vorgewiesene Exzellenz. Zu Recht werden sie unterstützt. Klotzen, nicht kleckern. Stärken stärken. Potenziale nutzen. Richtig. Aber damit wird, einem Prolog angemessen, die Tragödie der Föderalismusreform schon angedeutet. Die Hochschulen, die schon über viele Jahrzehnte im freien Westen die Besten an sich binden konnten, die große, ungebrochene Traditionen und das Geld starker Bundesländer auf ihrer Seite haben, werden den anderen Hochschulen damit verstärkt und auf Dauer davon laufen. Und das in einer Zeit, in der Bildung und Forschung die zentralen Zukunftsressourcen sein werden. Neue Erkenntnisse heißt neue Entwicklungen, Verfahren und Produkte. Das braucht bestausgebildete Fachleute.
Aber damit nicht genug.
Der Tragödie erster Akt: Mit der Föderalismusreform, mühsam errungen und aus dem ersten Scheitern im Dezember 2004 mühsam in die große Koalition gerettet, ist festgelegt, dass der Bildungsbereich in Gänze den Ländern übertragen wird. Übrigens gegen die deutsche Bevölkerung, denn eine verfassungsändernde Mehrheit von über 66 Prozent der Deutschen, von über 84 Prozent im Osten, wünscht sich mehr bundesstaatliche Kompetenzen. Denn Bildung ist die zentrale Ressource für die Zukunft. Diese Entscheidung ist also von ihrem Inhalt und ihrer Wirkung her nicht demokratisch, das Hochschulbaufördergesetz soll abgeschafft werden.
Nun wird das Hochschulbaufördergesetz als Bundesgesetz abgeschafft. Der Bund gibt seine Mittel, bisher 50 Prozent der Hochschulbaumittel, den Ländern. Für einen Übergangszeitraum bis 2013 mit einer Zweckbindung.
Was aber wird ein armes Land, wie zum Beispiel Brandenburg, machen? Bis 2019 muss der Landeshaushalt des heute schon im bundesweiten Vergleich auf Platz 6 der Pro-Kopf-Verschuldung liegenden Landes von derzeit 10 Milliarden Euro auf angemessene 7 Milliarden reduziert werden. Kann der Regierungschef eines Landes, der Bildung richtigerweise und glaubhaft zu seiner zentralen Priorität erklärt hat, aber sehenden Auges Millionen an Bundes- und Europamitteln wegen fehlender Landesmittel ungenutzt liegen lassen? Für diese bräuchte er Landeskofinanzierungsmittel, die er nicht bereitstellen können wird. Nach der Föderalismusreform wird er nur noch mit 100 Prozent Landesmitteln Hochschulbauinvestitionen tätigen können, die sich bestenfalls 10 Jahre später positiv auswirken werden. Bei Strafe des Verlustes der Glaubwürdigkeit und des Amtes, muss er die Bundes- und Europamittel ins Land holen, um die nötigen Infrastruktur- und Wirtschaftsinvestitionen finanzieren zu können. Für den Hochschulbau werden dann aber bestenfalls die Bundesmittel und danach nur marginale Mittel übrig bleiben.
Der Tragödie - erster Akt, zweiter Teil!
In der gleichen Zeit werden die weniger verschuldeten und durch schon heute wesentlich höheres Wirtschaftswachstum geprägten Länder im Süden und Westen massiv in ihre Zukunft investieren. Weil sie es können. Das heißt, sie bilden noch mehr als heute die Köpfe von morgen aus und ziehen die besten Köpfe mit unwiderstehlicher Kraft an. Durch die Einführung der Studiengebühren, die man sich eher erlauben kann, wenn man attraktiv ist, schalten sie zugleich einen zusätzlichen Filter vor, um die nicht so begabten und nicht so stark die Zukunft dieser Länder prägenden Studierenden außen vor zu halten. Gerade jetzt, wo die Zahl der Studierenden von 1,9 auf 2,7 Millionen steigen wird ist eine gesamtdeutsche, eine nationale Anstrengung notwendig. Was die reichen Südländer zusätzlich ausgeben werden, weil sie Arbeitskräfte für die Zukunft ausbilden wollen, wird die Minderungen in den ärmeren Ländern im Osten und Norden der Republik nicht ausgleichen.
So werden also, gerade jetzt, wo die nationale Verantwortung vergleichbar groß ist wie zu Beginn der 70er Jahre nach dem Georg Picht eine Bildungskatastrophe prognostizierte, die Gesamtmittel für den Hochschulbau in Deutschland zurückgehen. Gerade jetzt wäre der nationale Zügel Hochschulbaufördergesetz nötig, um mit einem Bundesanreiz alle Reserven herauszuholen. Aber wir zerschneiden diesen Zügel, vermindern national unsere Chancen und werden das Geschenk über Jahrzehnte dadurch bezahlen, dass wir unter unseren Möglichkeiten bleiben.
Der Tragödie zweiter Akt: Die Beamtenbesoldung. Die Länder hatten aus guten Gründen vor über 20 Jahren den Bund gebeten, mit einer Beamtenrechtsrahmenregelung und bundeseinheitlichen Tarifabsprachen den kostentreibenden Länderwettbewerb zu beenden. Das führte zu vergleichbaren Bedingungen, gute Beamte einzustellen bzw. durch gute Aufstiegschancen Beamte an sich zu binden. Damit soll nun auch Schluss sein. Die starken Länder werden höhere Gehälter zahlen können, attraktivere Besoldungs- und Pensionsregelungen haben und zugleich die besseren Bedingungen für die Kinder dieser Menschen. Sie wissen, was eine gute Bildung wert ist in Zeiten, wo auf globalen Märkten nur die mit bester Ausbildung gute Chancen haben.
Ich habe an zwei Beispielen dargestellt, wie die Republik damit nicht nur dauerhaft in verschiedene Entwicklungstempos geteilt, sondern damit im Kern auch das Ende vergleichbarer Lebens- und Zukunftsbedingungen eingeleitet wird. Wo besser studiert und besser verwaltet wird, sind die Bedingungen für Leben und Wirtschaft eben messbar besser.
Der Tragödie dritter Akt spielt sich in dem für die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen wichtigen Umweltrecht ab. Eigentlich sind Bürokratieabbau und klare bundesweite Regelungen das Ziel. Deshalb soll es auch ein einheitliches Umweltgesetzbuch geben. Aber die Ministerpräsidenten, insbesondere der starken Geberländer des Südens und des Westens haben dem nur zugestimmt, weil sie das Recht zu einer abweichenden Gesetzgebung erhalten. So stehen sich dann die Umweltgesetzgebung des Bundes, die nur die europäischen Rechtsvorgaben umsetzen und abweichende Reglungen in einigen Bundesländern gegenüber. Welche werden das sein? Die Länder, die sich zum einen wegen ihrer Größe viele, aber wegen ihrer eigenen Besoldungsregelungen auch bessere Beamte leisten können, die diese abweichende Gesetzgebung entwickeln.
Das heißt, die bevölkerungsschwachen Länder aus dem Norden und Osten haben gar nicht die Verwaltungskraft eventuell vom Bundesrecht abweichende Regelungen zu schaffen. Der an sich gute Wettbewerbsföderalismus wird nun auch in diesem Bereich dazu führen, dass im Südwesten der Republik, deren Staatskanzleien ja die Möglichkeit zu eigenen Regelungen forciert haben, eine wirtschaftsfreundlichere Umweltgesetzgebung eingeführt wird. Man kann in der bestehenden Standortkonkurrenz eine entsprechende Regelung entwickeln und auf diese Weise noch einmal mehr die Entwicklung der Stärkeren beschleunigen.
Vom europäischen Recht können auch die starken Länder nicht abweichen. Aber sie können sich durch Abweichungen vom nationalen Recht Vorteile verschaffen, was grundsätzlich gut ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, aber zu einer Entsolidarisierung des Bundesstaates führt.
In noch nie da gewesener Einheit protestieren deshalb der BDI und der DIHT gemeinsam mit Umwelt- und Naturschutzverbänden. Die Gefahr, dass die schon jetzt wirtschaftlich starken Länder den Norden und Süden "abhängen" und aus dem Osten und Norden die großen Landschafts-, Naturschutz- und Erholungsgebiete werden, ist manifest.
Man kann dies so wollen, weil man sieht, dass nur wenige Teile Deutschlands noch im globalen Wettbewerb mithalten können. Das hieße der Stärkung der Starken zu Lasten der Schwachen zuzustimmen und im globalen Wettbewerb wenigstens einen möglichst großen Teil Deutschlands in der Spitze zu behalten. Aber dann soll man es auch sagen und wissen, was man tut.
Die Umfragen belegen auch, dass im Westen mittlerweile eine viel kritischere Stimmung gegenüber der Deutschen Einheit herrscht als im Osten. Zehn Prozent mehr als im Osten lehnen die Deutsche Einheit mittlerweile ab. Die Europaskepsis ist im Westen auch heute etwas größer, obwohl gerade vom europäischen Wirtschaftsraum die südlichen und westlichen Länder mehr profitieren als der Norden und Osten Deutschlands.
Die im Koalitionsvertrag inhaltlich festgelegte Föderalismusreform wird Deutschland nicht nur langfristig stärker teilen, als das heute der Fall ist, sondern man geht einen großen Schritt zurück vom Bundesstaat Deutschland zu einem Staaten-, bzw. Länderbund. Die Länder leisten sich wie 1949 als Dienstleister für nationale Fragen den Bund. Dabei wäre angesichts der europäischen und globalen Herausforderungen angezeigt aus den 16 Ländern 6 starke Länder zu bilden, die nicht aus Angst um ihre Bedeutung oder gar Existenz ständig dem Bund Kompetenzen abringen müssten. Wir stehen im Wettbewerb mit zentral geführten Konkurrenten in Amerika und Asien, wo 380 Millionen, 1 bzw. 1,3 Milliarden Menschen leben.
Gibt es Alternativen zu dieser Tragödie des Deutschen Föderalismus, der von den Alliierten eingeführt wurde, um Deutschland schwach zu halten und den die Deutschen auch so wollten aus Angst vor der Erinnerung an das zentralstaatliche Dritte Deutsche Reich?
Die eine wäre, dass gerade die CDU-Ministerpräsidenten, deren Vorsitzende Kanzlerin ist, ihre Verantwortung für Deutschland höher ansehen, als ihre Landesinteressen zu Lasten Deutschlands.
Man könnte auch davon träumen, dass der Deutsche Bundestag sich als Nationalversammlung konstituiert und dem deutschen Volk eine Verfassung mit neuen Ländern und einer neuen Balance von Bund und Ländern vorlegt zur freien Entscheidung, nach dem das deutsche Volk seine Einheit wieder gefunden hat. Art. 146 GG nennt uns dieses Ziel.
Wir können aber auch den Bund und die Deutsche Einheit schwächen. Bezahlen werden wir dafür alle, die einen mehr, die anderen weniger.
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