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Von Marion Mück-Raab: Die Toten von Jamlitz
Im Streit um die Suche nach einem Massengrab ungarischer Juden ist es zu einer Einigung gekommen
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Jamlitz - Zehn Jahre lang hat ein Grundstücksbesitzer in Jamlitz (Dahme-Spreewald) die Behörden daran gehindert, nach einem Massengrab zu suchen. Er verweigerte Suchgrabungen auf seinem Grundbesitz. Dieser Streit ging am gestrigen Freitag zu Ende: In nicht-öffentlicher Sitzung wurde vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eine gütliche Einigung erzielt. „Es darf gegraben werden,“ so Sprecherin Martina Schwonke. Was aber genau verhandelt wurde, ist von ihr nicht zu erfahren. „Darüber wurde Stillschweigen vereinbart“, heißt es in einer Erklärung. Zu Gerüchten, dass ein Kaufangebot der Gemeinde in beträchtlicher Höhe auf dem Tisch gelegen habe, kann Schwonke nichts sagen. Und auch Amtsdirektor Bernd Boschan will nichts sagen über eventuelle Zahlungen. Es herrscht Stillschweigen, um die Einigung mit dem Besitzer Hans-Jürgen H. nicht zu gefährden.
Mehr als siebenhundert Leichen sollen in H.s Garten vergraben sein, es wäre das größte bisher noch unentdeckte Massengrab auf deutschem Boden.
Seit den neunziger Jahren sucht das Amt Lieberose/Oberspreewald nach diesen Toten. Es handelt sich um ungarische Juden, sie waren Häftlinge des Vernichtungslagers Lieberose, dem größten jüdischen Außenlager des KZ Sachsenhausen. Sie wurden im Februar 1945 erschossen, als die Todesmärsche begannen. Sie waren schwach und nicht mehr marschfähig. Es waren mehr als 1300 Menschen, die damals von ihren Mördern in Jamlitz verscharrt wurden. Während 577 der Toten im Jahr 1971 zufällig bei Bauarbeiten gefunden wurden, suchte man die anderen bisher vergeblich.
Im Jahr 1998 informierte das Amt Lieberose/Oberspreewald Grundbesitzer H. erstmals darüber, dass auf seinem Grundstück die Gebeine dieser Menschen vermutet werden. H. beeindruckte das nicht weiter, der Bitte nach Suchgrabungen kam er nicht nach. Er berief sich auf die Unverletzlichkeit der Wohnung, immerhin ein Grundrecht, und verwehrte den Behörden den Zutritt. Es folgten weitere Briefe und Gespräche, das Ministerium des Innern schaltete sich ein, machte H. Kaufangebote, doch der blieb stur. Nach acht Jahren ergebnisloser Verhandlungen zog das Amt Lieberose/Oberspreewald schließlich vor Gericht und wollte sich den Zutritt erzwingen. Es scheiterte in zwei Instanzen, zuletzt im Mai vor dem Landgericht in Cottbus. Auch das kam zu dem Schluss: Der Eigentümer muss die Suche nach einem Grab, das dort nur vermutet wird, nicht zulassen.
Die Historiker können da nur den Kopf schütteln: Alle anderen Verdachtsflächen konnten mittlerweile ausgeschlossen werden, stets galt H.s Grundstück als „Hauptverdachtsfläche“. Auch Professor Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, kommt zu diesem Schluss: Die Leichen müssen sich auf dem Gebiet des ehemaligen Häftlingslagers befinden. „Insbesondere kommen dabei die Gruben in Betracht, die Zeitzeugen am oberen nördlichen Rand des Häftlingslagers verorten.“ Und genau da befindet sich das Grundstück von H.
Die Behörden durften, selbst wenn sie das gewollt hätten, die Suche nicht einstellen. „Es ist unsere Pflicht, weiter nach diesem Grab zu suchen“, argumentiert Dorothee Stacke, Sprecherin des Innenministeriums in Brandenburg. Sie verweist auf das Gräbergesetz. Danach haben Bund und Länder die Pflicht, Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft festzustellen.
Das können sie jetzt endlich und auch bei Innenminister Jörg Schönbohm ist die Freude darüber groß. „Mir fällt ein Stein vom Herzen, dass wir jetzt endlich für die Angehörigen der Opfer und alle, die wie sie seit vielen Jahren darauf warten, die erhoffte Klarheit schaffen können“, sagte Schönbohm in einer Erklärung.
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