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Brandenburg: Die verborgene Geschichte des Burgberges

In Lebus scheitert die fachgerechte Aufarbeitung archäologischer Funde an fehlendem Geld. Zumindest der 50 Meter Hohe Hügel am Oderufer der Stadt wurde bereits vor 3000 Jahren besiedelt

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Lebus - Der Lebuser Burgberg ist beliebt bei Touristen. Der gut 50 Meter hohe Hügel am Oderufer bietet einen weiten Panoramablick über die Flussauenlandschaft. Doch wer derzeit auf einem der Pfade nach oben wandert, steht vor rot-weißem Absperrband.

Dahinter erstreckt sich eine staubige Schutt- und Geröllwüste. „Was wir hier seit Monaten an Lärm und Dreck aushalten, ist unbeschreiblich“, stöhnt Anwohnerin Ute Wilke. Eigentlich werden nur Versorgungsleitungen für Strom und Wasser verlegt, doch was anderswo binnen kurzer Zeit erledigt ist, wird auf dem Lebuser Burgberg zu einer wahren Herausforderung. „Gewachsener Boden kommt erst in einer Tiefe von sechs Metern.

Darüber gibt es die Reste mehrerer Burgen, die hier im Laufe der Jahrhunderte standen, und damit einen sehr unsicheren Untergrund“, berichtet Ortschronist Manfred Hunger. Rammen, Presslufthämmer oder Rüttelplatten sind tabu, die Gräben für die Leitungen werden zusätzlich mit Beton ausgegossen. Immer wenn die Bauarbeiter auf alte Mauern stoßen, müssen Archäologen hinzugezogen werden. Erst wenn deren Untersuchungen abgeschlossen sind, kann es weitergehen.

Der geschichtsträchtige Burgberg hat noch längst nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben, zumal er nach Einschätzung von Hobbyhistoriker Hunger nie vollständig ergründet wurde. Auch in den vergangenen Wochen stießen die Bauarbeiter immer wieder auf Zeugnisse früherer Bebauung: Reste einer Brücke und einer Zisterne sowie außerhalb der Burgmauern geheimnisvolle Gewölbe, die von Archäologen genauer untersucht und dokumentiert wurden.

Ginge es nach den Anwohnern, so müssten diese Spuren der Geschichte in einer Art Freilichtmuseum aufgearbeitet werden. „Stattdessen buddeln die Bauarbeiter alles wieder zu, nachdem die Archäologen fertig sind“, erbost sich Nachbar Hans-Herrmann Spiekermann. An seiner Garage sind rote Striche zu sehen, an dieser Stelle befand sich den aktuellen Erkundungen zufolge einer der drei Türme der einstigen Bischofsburg, als Lebus im Mittelalter zum slawischen Bistum Gnesen gehörte. Der Turmstumpf ist laut Spiekermann noch gut erhalten, zu sehen bekommt das allerdings auf absehbare Zeit niemand. Im 8. und 9. Jahrhundert siedelte sich der slawische Stamm der Leubuzzi in der Gegend an. Ab dem 10. Jahrhundert, als polnische Fürsten die Siedlung eroberten, gab es eine Burg.

Warum die steinernen Zeugnisse früherer Besiedlung nicht gesichert und öffentlich zugänglich gemacht werden, versteht auch Anwohnerin Wilke nicht. „Es kann doch nicht immer alles nur eine Geldfrage sein“, schimpft sie. Ist es aber wohl doch, wie Martin Petzel, zuständiger Mitarbeiter beim Brandenburger Landesamt für Denkmalpflege, bestätigt. „Die originalen Überreste einstiger Besiedlung aus dem frühen Mittelalter sind höchst bedeutsam“, sagt er. Seinen Angaben nach gab es auf dem Burgberg schon vor mehr als 3000 Jahren menschliche Siedlungen.

Besonders die Entdeckung eines aus 105 Teilen bestehenden Schatzes aus der Bronzezeit vor neun Jahren zeugt von der Bedeutsamkeit des Lebuser Areals. Der Bronzeschatz, der als größter Fund jener Epoche in Norddeutschland gilt, wurde geborgen und ist heute im Brandenburger Landesmuseum ausgestellt. Der Ort seiner Entdeckung im Boden des Burgberges ist aber nicht mehr zu erkennen.

Dort steht jetzt ein Einfamilienhaus, es gibt lediglich ein Hinweisschild. Bereits seit den 1930er Jahren waren immer wieder Archäologen auf dem Burgberg. Turmstümpfe und Grundmauern wurden dann zu DDR-Zeiten gefunden. „Doch schon wenige Jahre später war von den freigelegten Mauern kaum noch was zu sehen, das Material war durch die Witterung zerbröselt“, sagt Petzel. Dass aktuell Funde zwar von Archäologen untersucht, dann aber wieder mit Erde bedeckt werden, findet er aus denkmalpflegerischer Sicht gut. „Solange die geschichtlichen Überreste der einstigen Bischofsburg und ihrer Vorgängerbauten im Boden schlummern und nicht der Witterung ausgesetzt sind, können sie keinen weiteren Schaden nehmen“, erläutert der Denkmalpfleger.

Am Geld waren seinen Angaben nach zu DDR-Zeiten ehrgeizige Pläne eines Freilichtmuseums gescheitert. Ähnlich sei es auch nach der Wende weitergegangen. Mit Müh und Not habe die Stadt Lebus jetzt Fördermittel aus der Städtebauförderung des Landes erhalten. Doch das reicht nur für eine Minimalvariante: Die Umrisse der einstigen Bischofsburg sollen durch etwa einen halben Meter hohe Stahlbleche nachgestaltet werden, alle Originalzeugnisse jedoch unter der Erde verborgen bleiben - bis laut Petzel irgendwann Geld da ist, um sie fachgerecht zu restaurieren und sichtbar zu machen.

Dagegen laufen die Anwohner Sturm. „Das Stahlblechzeug rostet und wird zum Schandfleck“, sagt Klaus-Dieter Wilke empört. „Es wäre der Anfang einer touristischen Aufarbeitung. Wenn der jetzt am Bürgerwillen scheitert, passiert halt gar nichts“, resümiert der Mitarbeiter der Landesdenkmalpflege. Bernd Kluge

Bernd Kluge

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