
© Nestor Bachmann/dpa
Interview: „Dunkle Machenschaften, mafiöse Züge“
Der Unternehmer Peter Niedner verklagt Brandenburg auf zig Millionen Euro – und erhebt schwere Vorwürfe gegen märkische Ministerialbeamte. Ein Gespräch über seine Erfahrungen und sein in Brandenburg erschüttertes Vertrauen in den Rechtsstaat.
Stand:
Herr Niedner, Ende des Monats wird das Oberlandesgericht Brandenburg ein Urteil in ihrem Staatshaftungsstreit mit dem Land Brandenburg fällen. Was glauben Sie, werden Sie gewinnen?
Eigentlich ist der Fall klar, mehr als klar. Aber Richter tun sich immer schwer, ihren eigenen Staat und Brötchengeber zu verurteilen, besonders wenn es um viel Geld geht. Das habe ich zweimal mit Gerichten in Brandenburg erlebt. Egal, wie es nun ausgeht: Zum Glück gibt es höhere Instanzen, die solche Urteile kassieren.
Sie meinen den Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der zwei Urteile von brandenburgischen Gerichten wieder aufgehoben hat?
Richtig. Außerdem gibt es noch den Europäischen Gerichtshof, der mit seinen Urteilen in ähnlichen Fällen sehr hilfreich war und die rechtlichen Verhältnisse geradegerückt hat.
Sie haben wiederholt erklärt, dass das Landesfinanzministerium vor Gericht lügt.
Der Vortrag des Finanzministeriums in allen Instanzen ist eine große Lüge. Das gilt für die Verteidigungsstrategie, die mehrfach gewechselt hat, sowie für Details zu Nebenkriegsschauplätzen.
Beamte dürfen doch vor Gericht nicht lügen.
Niemand sollte vor Gericht lügen. Wird die Lüge trotz unserer Hinweise auf die Wahrheit, die meist auch schriftlich dokumentiert ist, nicht korrigiert, kann man durchaus von dem Versuch eines Prozessbetruges sprechen. Ich spreche auch nicht von Beamten an sich, sondern von mehr als einem Dutzend Beamten des Finanzministeriums in Potsdam. Sie haben alle auf ihre Art gelogen und das aus meiner Sicht ganz bewusst und mit dem Ziel der Täuschung der Gerichte. Bevor ich in Brandenburg unternehmerisch tätig wurde und in die dunklen Machenschaften der Finanzverwaltung geriet, hätte ich mir Derartiges in Deutschland nicht vorstellen können.
Herr Niedner, Sie reden von strafbaren Handlungen brandenburgischer Landesbediensteter!
Das Bestrafungsmonopol liegt bekanntlich beim Staat. Ich muss daher abwarten, was die Staatsanwaltschaft unternimmt. Ich habe konkrete Strafanzeigen gestellt. Das war erforderlich, weil das OLG nichts unternimmt, um die Finanzverwaltung zur Raison zu bringen.
Von welchen angeblich prozessbetrügerischen Lügen sprechen Sie?
Dem Unternehmen, das ich kurz nach der Wende gegründet habe und mit dem wir dreistellige Millionenbeträge in den Aufbau-Ost investieren wollten, wurde vom Finanzamt 1994 die Unternehmereigenschaft entzogen. Nachdem wir ein marodes Glaswerk in Großräschen erworben hatten und modernisieren wollten, hieß es plötzlich, das sei unser Privatvergnügen und wir hätten auch keinen Anspruch auf Vorsteuer. Mit einem Schlag fehlten uns 50 Millionen D-Mark, die Mehrwertsteuer wurde zu einem ungeplanten Kostenfaktor und wir konnten nicht als Unternehmen am Markt auftreten. Das ist ein Todesurteil. Das hatte es zuvor in Deutschland noch nie gegeben.
Und Sie klagten.
Ja, das ließ ich mir nicht bieten, brauchte aber sieben Jahre, bis die Finanzverwaltung uns wieder zum Unternehmer machte. Unsere Schadensersatzansprüche wurden abgelehnt und es entwickelte sich ein fulminanter Streit über Schadensersatz bis hin zum Bundesgerichtshof. Dort erschien der Leiter der Abteilung 1 im Finanzministerium und wiederholte seine absurden Lügen von Missbrauch oder gar Betrug. Dafür gab es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Für mich sind das alte Stasi-Methoden: Der Bürger wird von der Verwaltung diskreditiert und die Gerichte des Landes trauen sich nicht, Klartext zu sprechen.
Beim Bundesgericht hatten Sie aber Erfolg.
Ja, der Bundesgerichtshof nahm die Lügen der brandenburgischen Finanzverwaltung nicht ernst. Er hob das Fehlurteil auf und verwies den Fall an das Oberlandesgericht zurück. Dort wurden ganz neue Richter zuständig, unter anderem der neue OLG-Präsident. Dieser empfahl dem Land – leider erfolglos – eine gerichtliche Mediation, eine Art Schlichtungsverfahren. Unter der Verantwortung des von mir jetzt bei der Staatsanwaltschaft beschuldigten Ministerialdirigenten wurde daraufhin vor dem OLG der lügenhafte Vortrag wiederholt und zwei Jahre lang ausgewalzt. Das ist der heutige Stand.
Können Sie beweisen, dass gelogen wurde?
Es gibt viele Lügen, die sich durch Dokumente widerlegen lassen. Der Beweis lässt sich einfach führen. Mir kam auch die Zeugenbefragung im laufenden Verfahren beim OLG zur Hilfe. Mitarbeiter der Finanzverwaltung sagten dabei auch Dinge aus, die der Wahrheit entsprachen. So fiel beispielsweise der Satz: „Aus Sicht des Finanzamtes gab es keinerlei Zweifel an der Unternehmereigenschaft.“ Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Jahrelang wird behauptet, wir hätten keine Unternehmereigenschaft, und auf einmal sagt die Zeugin der Finanzverwaltung vor Gericht, das Finanzamt habe an der Unternehmereigenschaft niemals Zweifel gehabt – niemals!
Wie reagierte das Gericht darauf?
Erstaunlich passiv: Der Vorsitzende Richter am OLG hinterfragte diese Aussagen nicht weiter.
Die Justiz in Brandenburg ist also aus ihrer Sicht ein besonderes Problem?
Gelegentlich verrutschte der brandenburgischen Justitia in meinem Fall die Augenbinde.
Was denken Sie über die brandenburgische Verwaltung?
Die Regierung und die Verwaltung in Brandenburg fremdeln gelegentlich mit dem Rechtsstaat.
Das ist starker Tobak.
Ja, die Exekutive überschreitet häufig ihre Befugnisse. In meinem Fall hat sie, gestützt auf eine Lüge, schon in erster Instanz den Austausch von Richtern verlangt und letztlich auch bewirkt. Ab dann kippte das Verfahren zu unseren Lasten. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, den ich mir früher nicht hätte vorstellen können. Auch in der zweiten Instanz wurden zwei von drei Richtern außerplanmäßig ausgetauscht, nachdem die ursprünglich zuständigen Richter sich für uns positiv geäußert hatten. Seitdem laufen wir gegen eine Wand.
Sie sagten, Sie fühlten sich von Brandenburgs Finanzverwaltung verfolgt ...
Die hat gegen mich auch außerhalb Brandenburgs Strafanzeigen erstattet. Ohne jeden Grund; nur mit dem Ziel, auch in anderen Bundesländern meine Arbeit als Unternehmer zu stören. Manche Handlungen gegen mich hatten mafiöse Züge. Man hat zum Beispiel versucht, meine Firma im Handelsregister zu löschen, damit die Firma nicht mehr gegen Brandenburg klagen könne. Ich bin seit 20 Jahren der Willkür der Finanzverwaltung ausgesetzt. Im Verwaltungshandeln gibt es in Brandenburg viele Interessenkollisionen. Kompetenzgrenzen werden häufig nicht eingehalten.
Sie hatten Ministerpräsident Matthias Platzeck um Vermittlung gebeten.
Ich habe seit mehr als zehn Jahren Korrespondenz mit Herrn Platzeck. Als nun die sensationelle Zeugenaussage erfolgte, habe ich Herrn Platzeck gebeten, meine Ehre durch einen Dreizeiler wiederherzustellen. Er antwortete nicht.
Er kann doch aber während eines laufenden Verfahrens nicht einfach eingreifen
Das ist ein schäbiges Verhalten. Ich hoffe immer noch, dass er merkt, dass man mit Bürgern so nicht umgehen darf. Schließlich haben er, seine Regierung und die Verwaltung 20 Jahre lang schwerstwiegend versagt. Es gilt der Spruch: Der Fisch stinkt zuerst am Kopf.
Das Gespräch führten Peter Tiede und Hermann Zucker
Peter Niedner, 79, Unternehmer, einst Manager bei Volkswagen und der Triumph Adler AG, lebt am bayerischen Tegernsee. Der „Fall Niedner“ ist der größte Staatshaftungsprozess in der brandenburgischen Geschichte und reicht ins Jahr 1992 zurück. Niedners Firma hatte damals in Großräschen (Oberspreewald-Lausitz) für 125 Millionen Euro die Firma Deuba GmbH aufbauen wollen. Das Land hatte 1994 Fördermittel in Höhe von 40 Millionen Euro bewilligt. Die Finanzbehörden hatten ihn aber überraschend als Scheininvestor eingestuft, ihm die Unternehmereigenschaft aberkannt. Die Folge: die Pleite. Dass das Verwaltungshandeln falsch war, ist inzwischen unstrittig. Bislang hatten Brandenburger Gerichte allerdings geurteilt, die daraus erwachsenden Schadensersatzansprüche seien verjährt. Der BGH kassierte diese Urteile. Für Ende Mai wird ein Urteil im neuen Verfahren erwartet – Niedner hat angekündigt, weiter zu klagen.axf
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