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Brandenburg: „Durch nichts zu entschuldigen“

Dem Berliner Flüchtlingsheimbetreiber Pewobe wurde gekündigt, für die Heime werden neue Betreiber gesucht. Politiker der Opposition fordern auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

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Berlin - Am späten Sonntagnachmittag war das Maß für Mario Czaja voll. „Ich habe heute den Auftrag erteilt, alle Betreiberverträge mit der Pewobe fristlos zu kündigen“, teilte der CDU-Sozialsenator mit.

Die Zusammenarbeit mit der Pewobe (Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft mbH) habe sich zunehmend immer schwieriger dargestellt, hieß es in der Erklärung: „Wir haben in mehreren Unterkünften Hinweise zu Qualitätsmängeln erhalten. Auch nach wiederholten Begehungen sind Mängel nicht vollständig abgestellt worden. Zuletzt erfolgte eine öffentliche Auseinandersetzung mit einer Ehrenamtsorganisation, die von der Pewobe sogar verklagt wurde. Das ist kein Bild von einem Betreiber, mit dem wir weiterhin zusammenarbeiten wollen, und nicht die Art und Weise, wie aus unserer Sicht mit Ehrenamtlichen und schon gar nicht mit den ihn anvertrauten Menschen umgegangen werden darf.“

Letzteres habe die Sozialverwaltung bereits veranlasst, den Vertrag für die Unterkunft in Hellersdorf zu beenden (diese Zeitung berichtete), hieß es weiter. Den Ausschlag dürfte jedoch das Bekanntwerden von internen Mails mehrerer Pewobe-Mitarbeiter gewesen sein.

Wie berichtet hatten sich vier leitende Angestellte im Juli 2015 darüber ausgetauscht, was mit einer 5000-Euro- Spende von BMW geschehen solle. Weil ein Sandkasten „bei unseren Bewohnergruppen ganz schnell ein Aschenbecher oder ein heimisches Klo“ würde, schlägt die zentrale Wohnheimkoordinatorin Peggy M. stattdessen unter anderem eine „Kinderguiolltine“, also eine Kinderguillotine, vor. Eine andere Mitarbeiterin mailt, das sei doch „...mal was anderes als das Standartprogramm“.

In weiteren Mails geht es dann um „Enthauptungen“, die allerdings Dreck machen würden, „weil es immer ein bisschen spritzt“, und um die „max. Pigmentierten“, die das dann saubermachen könnten. Als „Entsorgungsmöglichkeit“ wird dann auch noch ein „großvolumiges Krematorium“ vorgeschlagen. „Der Vorteil ist, dass wir dann auch unser Umweltzertifikat wieder bekommen, weil wir die Abwärme sinnvoll und zielführend einsetzen können. Wir sind so gut!“, so Mitarbeiterin Birgit B.

Sozialsenator Czaja, dem die von „Bild“ und „BZ“ veröffentlichten Mails ebenfalls von einer anonymen Quelle zugespielt worden waren, reagierte entsetzt. Zwar habe die Pewobe der Sozialverwaltung gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass es sich um Auszüge handelt, die aus dem Zusammenhang gerissen seien, doch das genügt Czaja offenbar nicht. „Auch der derzeitige Umgang mit dem unsäglichen und aus meiner Sicht nicht erklärbaren und durch nichts zu entschuldigendem Mailaustausch macht deutlich, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Pewobe nicht mehr möglich ist“, heißt es in der Mitteilung der Senatsverwaltung. Zugleich wird erklärt, dass die nach wie vor schwierige Unterbringungssituation die Verwaltung bislang davon abgehalten habe, eine fristlose Kündigung zu vollziehen. Jetzt sehe man aber keinen anderen Weg mehr.

Wohl auch deshalb, weil am Wochenende immer mehr Politiker schockiert über die menschenverachtenden Mails ein konsequentes Handeln gefordert hatten. Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Berliner Linken, erwartet darüber hinaus auch eine Prüfung, ob die Aussage über eine „Kinderguillotine“ in einem Heim „nicht ein Fall für den Staatsanwalt ist“. Dies forderte auch die Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop, ebenso wie die fristlose Kündigung der Verträge. Die Staatsanwaltschaft konnte am Sonntag noch keine Auskunft geben, ob sie wegen des Inhaltes der Mails ermitteln wird.

Die 5000-Euro-Spende der Berliner BMW-Hauptstadt-Niederlassung am Kaiserdamm ging an das Flüchtlingsheim in der Rognitzstraße. „Das Geld wurde guten Gewissens gespendet und für den Bau eines Spielplatzes verwendet“, sagte Nicola Brüning, Leiterin der Repräsentanz Deutschland von BMW, dieser Zeitung. Brüning kommentierte die Mails nicht.

Die Pewobe ist nicht das erste Mal in den Schlagzeilen. Sie äußerte sich auf Anfrage nicht. Die Pewobe wird von der Berliner Anwaltskanzlei Irle Moser vertreten. Auf Anfrage dieser Zeitung ging auch von der Kanzlei keine Stellungnahme ein. Allerdings zitieren „Bild“ und „BZ“ eine Erklärung, in der die Kanzlei unter anderem darauf hinweist, dass das Thema „Guillotine“ nachweislich „zwar in völlig überzogener aber niemals auch nur ansatzweise ernstgemeinter Weise“ diskutiert worden sei. „Hintergrund“ sei ausweislich der vorliegenden E-Mail-Korrespondenz „ein durch das Rechtschreibkorrekturprogramm T9 verursachter Korrekturfehler, wie er bei gebräuchlichen Mobiltelefonen häufiger auftaucht und insoweit zu teilweise absurden Wortschöpfungen führt“. Warum dieses Programm offensichtliche orthografische Fehler nicht beseitigt hat, wird nicht erklärt. Auch heißt es, die Mail-Korrespondenz sei am Sonntagnachmittag beziehungsweise -abend geführt worden und daher nicht der dienstlichen Sphäre zuzuordnen.

Die Verwaltung muss nun für insgesamt neun Pewobe-Heime in Berlin neue Betreiber finden. Man habe sich mit möglicherweise notwendigen Umzugsplänen bereits seit einigen Wochen beschäftigt, hieß es. Die Heime sollen möglichst unter neuer Trägerschaft erhalten bleiben. Die Pewobe betreibt in Berlin Heime in der Maxie-Wander-Straße (Hellersdorf), Rognitzstraße (Charlottenburg), am Schöneberger Ufer (Tiergarten), Haarlemer Straße (Neukölln), Bühringstraße (Weißensee), Scharnweberstraße (Reinickendorf), Bornitzstraße (Lichtenberg), Colditzstraße (Tempelhof) und in der Wassersportallee (Grünau). S. Beikler, S. Dassler, J. Dziuba

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