Brandenburg: DVU verherrlicht Wehrmacht
Wut und Entrüstung im Landtag: Abgeordnete verlassen aus Protest gegen rechtsextreme Rede den Saal
Stand:
Potsdam - Mit Verherrlichungen der Wehrmacht hat Brandenburgs rechtsextreme DVU einen Eklat im Landtag provoziert – und blankes Entsetzen bei den demokratischen Parteien ausgelöst. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) reagierte entrüstet. „Es ist eine Verhöhnung der Opfer, was Sie hier treiben. Das kann sich niemand mit anhören“, rief Platzeck, den es kaum auf der Regierungsbank hielt, als der DVU-Landeschef und parlamentarische Fraktions-Geschäftsführer Sigmar-Peter Schuldt gegen das neue Versammlungsgesetz polemisierte. Gegen ein Gesetz, mit dem künftig die berüchtigten Aufmärsche von Neonazis am Soldatenfriedhof Halbe ferngehalten werden sollen.
Auch in diesem Jahr haben Rechtsextreme aus der ganzen Bundesrepublik für den Volkstrauertag am 18. November wieder zum so genannten „Heldengedenken“ für Wehrmacht und Waffen–SS am größten Soldatenfriedhof der Bundesrepublik aufgerufen.
„Wir lassen uns ein würdiges Gedenken an unsere gefallenen deutschen Soldaten nicht nehmen“, sagte Schuldt in seiner Rede. Er sprach von „ehrenhaften“ und „vorbildlichen Leistungen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg“. Daraufhin verließen die Abgeordneten von SPD und PDS fast geschlossen den Saal.
Schuldt warf Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der den Gesetzentwurf vorgelegt hat, „Anbiederei an den linken Zeitgeist“ vor. Sein Vater habe auf dem „legendären“ Schlachtschiff „Bismarck“ gedient, sagte Schuldt. Dieser habe ihm immer gesagt: „Wir sind nicht in den Krieg gezogen für Hitler oder für den Nationalsozialismus, sondern wir haben gekämpft für unser Vaterland“, „für Deutschland“. Und von Platzeck, der ihm „Sudelei“ vorhielt, forderte Schuldt: Der Regierungschef solle sich dafür einsetzen, „dass auch unsere Soldaten ehrenhaft behandelt werden“.
Die Empörung über den bisher schwersten Eklat, den die rechtsextreme DVU-Fraktion seit ihrem Einzug in den Brandenburger Landtag im Jahr 1999 verursacht hat, war einhellig. Tief betroffen reagierte auch Platzecks Stellvertreter, Innenminister Jörg Schönbohm. Die Äußerungen von Schuldt sind „für mich persönlich unerträglich“, sagte Schönbohm, der am Ende der Debatte zum neuen Versammlungsgesetz noch einmal das Wort ergriff und vom Schicksal seiner Familie berichtete. „Mein Vater hat in Halbe gekämpft, er hat überlebt. Mein Schwiegervater hat in Ketschendorf im KZ gesessen, in Buchenwald, in Sibirien, er hat auch überlebt.“ Und dann stelle sich „solch ein Mensch hin und verhöhnt die, die Opfer gebracht haben, und versucht sie zu instrumentalisieren“. Dabei gehe es um ein Gesetz, mit dem die „Totenruhe“ gesichert werden solle.
Zum Abschluss seiner Replik wandte sich Schönbohm direkt an den DVU-Politiker, der als graue Eminenz und eigentliche Führungsfigur der Landtagsfraktion gilt. Schönbohm: „Ich lasse mir das nicht gefallen. Wir lassen uns das nicht gefallen“. Schließlich sei „Kultur des Gedenkens immer Ausdruck von Menschen, die Kultur haben. Ihr Beitrag hat gezeigt, dass sie sich davon ausgeschlossen haben“. Er erhielt für seine Worte starken Beifall aus den Reihen von CDU, SPD und Linkspartei, die nach Schuldts Rede wieder ins Plenum zurückgekehrt waren.
Souverän reagierte aber auch Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD), der sich – vor laufenden Kameras – nach dem Eklat noch einmal „außerhalb der Tagesordnung“ an jugendliche Gäste wandte, die die Auseinandersetzungen im Plenum verfolgt hatten.
„Es wäre ein leichtes gewesen, dem Redner das Mikrofon abzuschalten“, erklärte Fritsch. Aber „wichtiger“ sei, dass die Meinungsbildung innerhalb des Parlamentes, die klare Ablehnung solcher Positionen durch Landesregierung und Abgeordnete deutlich gemacht habe, wo die Mehrheit stehe. „Dies wünsche ich mir auch in der Gesellschaft Brandenburgs, das wünsche ich mir an jeder Schule“, sagte der Landtagspräsident. „Nicht den Mund halten und wegschauen, sondern klar Stellung beziehen.“ In der Debatte selbst befürworteten Vertreter von SPD, CDU und Linkspartei die Gesetzesnovelle, die die Neonazi-Aufmärsche in Halbe – inzwischen ein alljährliches Ritual – mit einer Art Bannmeile einschränken soll. Mit Blick auf den geplanten Aufmarsch von Neonazis am 18. November warb der SPD-Abgeordnete Werner Sigwart Schippel außerdem für einen gemeinsamen Entschließungsantrag von SPD, CDU und PDS, um den Neonazis einen „Tag der Demokraten“ in Halbe entgegenzusetzen. „Was im CDU-regierten Sachsen möglich ist, sollte in Brandenburg eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein“, sagte auch der PDS–Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg. In der Vergangenheit hatte die CDU gemeinsame Anträge mit der PDS auch im Fall Halbe abgelehnt. CDU-Redner gingen auf die Forderungen nicht ein.
- Alexander Dobrindt
- Brandenburg
- CDU
- Die Linke
- Jugend
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- SPD
- Zweiter Weltkrieg und Kriegsende
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: