Brandenburg: Ein Bild des Grauens
22-jähriges Opfer warnt vor Verkehrsunfällen nach der Disco
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22-jähriges Opfer warnt vor Verkehrsunfällen nach der Disco Von Jörg Schreiber Prenzlau/Frankfurt (Oder). Den 1. Dezember 2003 wird der rothaarige Roger Rippen wohl nie vergessen. „Ich kam zu mir und lag mitten auf einem Feld“, berichtet der 22-Jährige. Nur allmählich kam die Erinnerung zurück. Zusammen mit fünf Kumpels war er nach der Disko im uckermärkischen Carmzow in einem Transporter nach Hause unterwegs gewesen, als es plötzlich knallte. Der 19-jährige Fahrer kam ums Leben, die anderen fünf Insassen wurden schwer verletzt. „Es war ein Bild des Grauens“, erinnert sich Ulf Richter, Dienstgruppenleiter der Polizeiwache Prenzlau, der gegen 5.30 Uhr als erster Polizist am Unfallort eintraf. Mitten auf der Straße von Carmzow nach Brüssow habe ein Toter gelegen, im Umfeld von 25 bis 30 Metern fanden die Beamten weitere fünf schwer verletzte Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren. Der Fahrer sei nicht zu identifizieren gewesen. Im Polizeibericht stand später, dass der Transporter in einer Linkskurve gegen einen Straßenbaum prallte, nach rechts schleuderte und schließlich im Straßengraben auf die Seite kippte. Heute kann Rippen wie die anderen Überlebenden wieder normal gehen, nur einer sei zum Frührentner geworden. „Ich habe Glück gehabt“, sagt er. Nur drei Wochen habe er wegen eines Beinbruchs im Krankenhaus gelegen. „Ich persönlich dachte, dass mir so etwas nie passiert“, sagt Rippen und erzählt: „Wir haben nach der Disko kaum nachgedacht, was wir machen.“. Alle hätten Alkohol getrunken. Bis auf den Fahrer, der verabredungsgemäß nüchtern geblieben sei. Darauf habe er schon geachtet. Da es nur drei Sitzplätze gab, habe er hinten zwischen Werkzeugkisten und Ersatzrad gesessen. „Keiner war angeschnallt“, räumt Rippen ein. Der Fahrer habe erst seit ein oder zwei Monaten den Führerschein gehabt und nie zuvor den Transporter gefahren. Dann sei auch noch der erste Schnee gefallen, analysiert er die Ursachen für den Unfall. Die Ereignisse hätten ihn schon geprägt, gesteht er ein. Er achte heute darauf, dass er sich anschnallt und der Fahrer genug Erfahrung hat. Es sei erschütternd, wie viel Leid an so einem Unfall hängt. Seine Mutter sei heute viel besorgter um ihn. Junge Fahrer bis 24 Jahre seien eine besondere Problemgruppe, sagt Klaus Kandt, der den Führungsstab des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder) leitet. Obwohl sie nur knapp zehn Prozent der Bevölkerung ausmachten, hätten sie im vergangenen Jahr 27,4 Prozent der Unfälle verursacht. Sie führen besonders riskant. Vor allem an den Wochenenden nach der Disko komme es zu schweren Unfällen, die meist durch Raserei verursacht würden. Auch Alkohol spiele eine Rolle. „Autofahren beginnt im Kopf“, sagt Dagobert von Ahnen. Der erfahrene Polizist ist Präventionsberater für die Uckermark und pendelt ständig zwischen Polizei und Landratsamt. Gemeinsam mit Partnern wie Automobilclubs, Krankenkassen, Verkehrswacht und Polizei habe er ein Projekt entwickelt, dass speziell die Gruppe der jungen Fahrer anspricht. Ziel sei, die Unfallzahlen deutlich zu senken. Die Jugendlichen lernen etwas über die Fahrphysik von Autos und Krädern sowie über Erste Hilfe, erfahren, welche Folgen Alkohol und Drogen haben. Der Unfall von Carmzow sei ein aktuelles Beispiel, das er oft mit anführe. Im vergangenen Jahren seien schon 600 Jugendliche erreicht worden.
Jörg Schreiber
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