Brandenburg: Ein Fall fürs Präsidium
Landtagspräsident Fritsch erntet für Äußerungen zur DDR-Enquetekommission breite Kritik. Das Parlament ist noch nicht fertig mit ihm
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Potsdam - Jetzt befasst sich auch das Landtagspräsidium mit dem Verhalten von Parlamentspräsident Gunter Fritsch im Zusammenhang mit der Vorstellung eines Buches über die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Es geht um die Frage, ob Fritsch seine Neutralitätspflicht verletzt hat. Der SPD-Politiker hatte nicht nur das Vorwort zu dem Buch geschrieben, das Anfang Juli im Landtag vorgestellt wurde. Dabei hatte er sich zudem abfällig über die Kommission geäußert und über deren Einsetzung im Jahr 2010 auf Antrag der Opposition gesagt: „Das ist Frustbewältigung vom Feinsten.“ In dem Buch wird der Kommission, die bis Ende 2013 ihre Abschlussbericht fertigstellen will, Gesinnungsschnüffelei „in der Tradition der katholischen Inquisition“ vorgeworfen.
Zahlreiche Mitglieder der Kommission kritisierten am Freitag Fritschs Auftreten als Fehler. Die Vorsitzende Susanne Melior (SPD) sagte, sie sei nicht glücklich darüber gewesen. Nach Aussprache mit Fritsch seien aber „einige Punkte ausgeräumt“. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel erklärte, es sei ein Unding, wenn der Landtagspräsident in seinem Vorwort über das Buch schreibe: „Ja, man kann die Dinge auch so sehen.“ Dergleichen wäre in den alten Bundesländern unhaltbar. „Man kann keine Goebbels-Vergleiche mit Mitgliedern der Kommission machen“, sagte Vogel. „Wir erwarten, dass der Präsident eine positive Haltung zu vom Landtag geschaffenen Institutionen hat“, sagte Vogel. „Die Lauterkeit hätte es erfordert, dass er sich hinter die Kommission stellt.“
CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski kritisierte, dass das Buch mit Fritschs Vorwort die Arbeit der Enquetekommission bewerte, noch bevor diese ihre Aufgaben abgeschlossen habe. Fritsch habe sich unkollegial gegenüber den Kommissionsmitgliedern verhalten, „die sich die Arbeit machen“. Dombrowski und Vogel wollten auch die Erklärung des Landtagspräsidenten nicht gelten lassen, er habe an der Buchvorstellung nicht in offizieller Funktion, sondern nur als Privatperson teilgenommen. Dabei war er – auch als Verfasser des Vorwortes – zu Beginn in seiner Funktion als Parlamentspräsident begrüßt worden.
Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg beklagte, Fritsch habe wider oder ohne besseres Wissen das Vorwort zu diesem Buch verfasst. Zumindest habe er der Schrift öffentlich ein Gütesiegel gegeben. Auch von den Sachverständigen in der Kommission, dem Journalisten Jörg Kürschner und dem DDR-Bürgerrechtler und Theologen Richard Schröder, kam Kritik: Wie der Parlamentspräsident sich verhalten habe, gehe nicht.
Auch die Aufarbeitungs-Beauftragte Ulrike Poppe nahm schriftlich zu den Vorgängen Stellung. Durch die Buchvorstellung in den Räumen des Landtags sei dieser Band aufgewertet worden und damit die „Sinnhaftigkeit der vom Landtag eingesetzten Kommission infrage gestellt“, so Poppe. Dem Autoren attestierte er die Intention, die Bemühungen um eine Aufarbeitung zu diskreditieren. „Ich bedauere, dass ihm dafür die Anerkennung des Landtagspräsidenten zuteil wurde.“
Kommissionschefin Melior und die Vertreter der Koalition von SPD und Linken versuchten die Kritik abzuschwächen und nannten die Aufregung um Fritschs Vorwort und seinen Auftritt unverständlich.
Auch der Parlamentarische Beratungsdienst befasst sich auf CDU-Antrag mit dem Fall und prüft, ob Fritsch seine Amtspflichten verletzt hat. Und ob der Landtag jetzt auch anderen Autoren und Stiftungen das Parlament als Bühne für Buchvorstellungen zur Verfügung stellen muss.
nbsp;Alexander Fröhlich
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