Von Thorsten Metzner: Ein Geschäft unter Sportfreunden?
Vorwürfe gegen Ex-Finanzminister Rainer Speer: Land soll Krampnitz-Kaserne zu billig verkauft haben
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Potsdam - Er gilt als engster Vertrauter von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), als starker Mann im rot-roten Kabinett: Nach wachsender Kritik an seiner Polizeireform gerät jetzt Innenminister Rainer Speer (SPD) auch noch durch Filz-Vorwürfe in Erklärungsnöte. Es geht um ein Grundstücksgeschäft des Landes, das in seine Amtszeit als Finanzminister fiel. Nach einem Bericht des Magazins „Stern“ soll es beim Verkauf der landeseigenen grauen Kasernen in Potsdam-Krampnitz im Jahr 2007 nicht mit rechten Dingen zugegangen sein: das 110-Hektar-Areal sei viel zu billig veräußert worden. Und an dem umstrittenen Deal und Projekt, so das Magazin, waren mit dem Geschäftsmann Frank Marczinek und dem Unternehmensberater Thilo Steinbach zwei gute Bekannte Speers beteiligt: Beide sitzen im Vorstand des Potsdamer Drittligisten Babelsberg 03, Präsident ist dort Rainer Speer selbst. PNN-Recherchen nähren den Verdacht, dass beim Verkauf der Krampnitzer Kasernen – abgewickelt durch die privatisierte frühere Landesfirma BBG – das Finanzministerium zu großzügig und zu leger bei der Vertragsgestaltung war.
Die Vorgeschichte reicht länger zurück. Im Jahr 2006 hatte Speer die vorher landeseigene Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG), die seit 1994 vom Land übernommene Hunderttausende Hektar frühere russische Liegenschaften von Kasernen bis einstige Bunker bis hin zu Radarstationen verwertete, nach einer europaweiten Ausschreibung privatisiert. Den Zuschlag erhielt damals die TVF Thyssen-VEAG Flächen Recycling GmbH (TVF) des Unternehmers Marczinek, der als Auftragnehmer mit der BBG bereits langjährig verbunden war. Am Geschäft der BBG, nunmehr eine Privatfirma, änderte sich nichts. Im Auftrag des Landes versuchte die BBG nun weiter, Käufer für die Landesliegenschaften, meist Kasernen, nicht selten mit Altlasten verseucht, zu finden.
Bei den verfallenen Krampnitzer Kasernen, einst Kavallerieschule der Reichswehr, dann von der Roten Armee genutzt, die eineinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall immer noch eine Geisterstadt war, in der irgendwann das Stalingrad-Drama „Enemy at the Gates“ gedreht wurde, wurde man fündig. Am 17. Juli 2007 verkaufte die BBG Marczineks das 110-Hektar-Landesareal mit dem Segen von Speer. Und zwar laut dem Minister damals an die honorige dänische Thylander-Gruppe. Auch jetzt erklärt Speer, der den Vorwurf eines „Geschäftes unter Sportfreunden“ zurückweist: „Die Thylander-Gruppe als Interessent und möglicher Investor war mir bekannt, ich hatte auch im Vorfeld mit Lars Thylander ein Gespräch geführt. Danach wurde die Investorenlandschaft abgefragt, um ein gutes Angebot zu erhalten.“ Und: „ Ich hatte als damaliger Finanzminister zum vorgesehenen Verkauf des Kasernengeländes keinerlei eigene Präferenzen oder Wünsche geäußert oder vorgegeben.“
Nur, die Rolle der Thylander-Gruppe ist unklar. Nach Recherchen des „Stern“ waren die Käufer vier in Großbritannien registrierte Gesellschaften, die der Hannoveraner TG Potsdam Projektentwicklungsgesellschaft gehören, die vom Anwalt Ingolf Böx – einem Sozius der Kanzlei des Brandenburger SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert – kontrolliert werden sollen. In Potsdam trat bislang allein diese TG Group als Investor auf, versprach eine 500-Millionen-Investition, die bis heute auf sich warten lässt. An die BBG – und damit an das Land – flossen für das 110-Hektar–Areal ganze vier Millionen Euro. Das Land hatte für Altlasten und Abrisse, wie bei „Ladenhütern“ wie dieser WGt-Kaserne, einen deutlichen Nachlass gewährt, das Finanzministerium sprach 2007 von 6,7 Millionen, das Finanzministerium nennt heute 4,3 Millionen Euro als Abzug.
Dabei werden nun eine ganze Kette von Ungereimtheiten publik. Da gibt es laut „Stern“ ein Gutachten vom August 2007 – dem Finanzministerium ist dies angeblich nicht bekannt – wonach das Areal 25 Millionen Euro wert sein soll. Da soll für diesen Preis die TG Group das Areal schon ein Jahr später Dritten angeboten haben. Da soll eine Teilfläche – später zwar rückabgewickelt– tatsächlich zum mehrfachen Preis weiter veräußert worden sein, mit einem Millionengewinn.
Unter der alten, rein staatlichen Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) wäre nach PNN-Recherchen eine solche Praxis nicht möglich gewesen – in den Kaufverträgen ausgeschlossen worden: Da gab es Investitionsverpflichtungen, Spekulationsverbotsklauseln, da ging es um Landeseigentum. Dass auf dem Areal bis heute nichts passiert, wirft zudem die Frage auf, ob überhaupt eine seriöse Bonitätsprüfung – die ebenfalls in der vorherigen BBG – zwingend war, stattgefunden hat. Trotz all dieser Ungereimtheiten sind für das inzwischen vom Linken Helmuth Markov geführte Finanzministerium die Vorwürfe „aus heutiger Sicht“, wie einschränkend formuliert wird, „unbegründet“. Der Kaufpreis basiere auf dem Verkehrswertgutachten eines vereidigten Sachverständigen. Das Vorhaben sehe ohnehin „längere Fristen“ vor, es bestehe kein Grund, „an der Realisierung ... zu zweifeln.“
Speer wird, wenn er aus dem USA-Urlaub zurückgekehrt ist, einige Fragen zu beantworten haben.
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