Brandenburg: „Ein kleiner Einbruch“
Innenminister: Problem mit jungen Gewalttätern, insgesamt mehr Straftaten, weniger Aufklärung
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Potsdam - Brandenburg hat nach Ansicht von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ein ernsthaftes Problem mit gewaltbereiten Jugendlichen. Fast die Hälfte aller Gewaltdelikte werde von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden unter 21 Jahren begangen, sagte Schönbohm gestern bei der Vorstellung der sogenannten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2007 in Potsdam. Erstmals seit Jahren sei der Anteil von Jugendlichen und Heranwachsenden an allen Tatverdächtigen bei Gewaltstraftaten wieder gestiegen. Wurden 2006 noch 46 Prozent aller Gewalttaten von unter 21-Jährigen verübt, waren es im vergangenen Jahr 47 Prozent – und das, obwohl es insgesamt deutlich weniger Kinder und Jugendliche in Brandenburg gibt. Von 6115 ermittelten Gewalttätern waren 2872 unter 21 Jahre, so der Minister. Ausdrücklich wies er darauf hin, dass Jugendkriminalität und Jugendgewalt in Brandenburg kein Problem von jungen Migranten sei: Deren Anteil an den begangenen Straftaten liege nur knapp über drei Prozent.
Bei der Gewaltbereitschaft liegt Brandenburgs Jugend über dem Bundesdurchschnitt: Von 100 000 Jugendlichen unter 18 Jahren waren statistisch in Brandenburg im Vorjahr 1343 bei Gewaltstraftaten aufgefallen – bundesweit waren es im Jahr 2006 im Schnitt 1163 (für 2007 gibt es noch keine Bundeszahlen). Auch bei allen Straftaten insgesamt liegt die brandenburgische Jugend bundesweit mit 9644 Straftätern je 100 000 Jugendlichen im Vorderfeld (Bundesdurchschnitt: 7821).
Schönbohm kündigte an, Jugendgewalt und Jugendkriminalität zu einem Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit zu machen. So sollen nicht nur die etwa 530 in Brandenburg registrierten sogenannten Intensivtäter (zehn und mehr Straftaten, eindeutig gefestigte kriminelle Energie) von den Jugendkommissariaten und Spezialkräften der Polizei „betreut“ werden. „Wir müssen uns vor allem um die Schwellentäter kümmern“, sagte Schönbohm. Jugendgewalt solle auch ein zentrales Thema der nächsten Konferenz der Innenminister der Länder in Bad Saarow werden – Schönbohm hat derzeit den Vorsitz der Innenministerrunde.
Nicht nur bei Gewalttaten von Jugendlichen hatte Brandenburg im Vorjahr eine negative Entwicklung zu verzeichnen: Insgesamt war im Jahr 2007 die Zahl der Straftaten in Brandenburg um 1,7 Prozent auf 226 466 angestiegen. Die Häufigkeitszahl von Delikten pro 100 000 Einwohner erhöhte sich von 8700 auf knapp 8900. Und auch die Aufklärungsquote ging um 1,2 Punkte auf 57,4 Prozent zurück. Die Quote liege damit zwar noch immer über dem Bundesschnitt, aber „die Zahlen könnten besser“, sagte Schönbohm. In Bezug auf die Aufklärungsquote sprach er von einem „kleinen Einbruch“ im Vorjahr.
Berichte aus dem Polizeiapparat, wonach die Aufklärungsquote in Brandenburg im Januar dieses Jahres dramatisch auf deutlich unter 50 Prozent abgesackt sei, bezeichnete das Innenministerium gestern auf Nachfrage als unglaubwürdig – es werde keine Monatsstatistik geführt.
In Zukunft dürfe es bei der brandenburgischen Polizei zu keinen weiteren Einsparungen kommen, unterstrich Schönbohm. Bis 2012 soll die Zahl der Vollzeitstellen von derzeit rund 9500 auf dann 8524 fallen. „Jetzt ist sozusagen das Ende der Fahnenstange erreicht.“ Die Neugliederung und Einschnitte in der Vergangenheit seien jedoch berechtigt gewesen. „Wir haben die Polizei zukunftsfest gemacht.“
Dagegen warnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den geplanten Personalabbau. Namentlich die Bekämpfung der Schwer- und Schwerstkriminalität werde leiden, hieß es in einer Stellungnahme. Bis 2009 würden 390 Stellen bei der Kriminalpolizei wegfallen. „Bereits jetzt wird die sogenannte Massenkriminalität nur noch verwaltet“, meinte der GdP-Landesvorsitzende Andreas Schuster.
Der Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wolfgang Bauch, forderte eine „Einstellungsoffensive“. Um der Überalterung zu begegnen, müssten umgehend mehr junge Leute für den Polizeidienst ausgebildet werden.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Hans-Jürgen Scharfenberg, führte die niedrigere Aufklärungsquote auf die Personalreduzierungen zurück, die ein Ende haben müssten. Peter Tiede (mit ddp und dpa)
Peter Tiede (mit ddp, dpa)
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