Brandenburg: Ein Luxusleben auf Kosten des Sozialamts
Ex-Bezirksamts-Angestellte soll 750 000 Euro für einen Mann veruntreut haben Jetzt steht sie vor Gericht – ihr Anwalt sagt, sie handelte aus Liebe
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Berlin - Zum Abschied gab es Blumen und ein beachtliches Sümmchen. Ingrid S., damals 47 Jahre alt, konnte aufatmen. Niemand schöpfte Verdacht. Es schien, als hätte sie rechtzeitig ihren Posten aufgegeben. Der freiwillige Schritt war ihr mit 79 000 Euro Abfindung versüßt worden. Der Zufall aber brachte es ein halbes Jahr nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst doch ans Licht: Die frühere Sachbearbeiterin des Bezirksamtes Berlin-Lichtenberg soll 750 000 Euro veruntreut haben.
Ingrid S. musste sich seit gestern vor dem Landgericht verantworten. Es war vermutlich Liebe, die sie auf die schiefe Bahn schlittern ließ, sagte ihr Anwalt. Die geschiedene Mutter soll dem zehn Jahre älteren Mitangeklagten Klaus B. ein Luxusleben finanziert haben. Von den abgezweigten Geldern habe Ingrid S. persönlich etwa 30 000 Euro erhalten. Ein dritter Angeklagter, der den Ermittlungen zufolge in 36 der insgesamt 247 Fälle unrechtmäßiger Auszahlungen sein Konto zur Verfügung gestellt haben soll, sei mit 98 000 Euro belohnt worden.
Der Schwindel begann am 4. Dezember 2003. Laut Anklage wies die damalige Sachbearbeiterin, die im Bereich Sozialwesen auch für die Bewilligung von Sozialhilfen zuständig war, eine Summe von 1457 Euro an. Es soll der Beginn eines knapp zweijährigen Jonglierens mit erfundenen Beihilfen für alte, bereits abgeschlossene Sozialhilfefälle gewesen sein. Sie aktivierte die Fälle wohl im EDV-System Prosoz. Um ihr Treiben zu vertuschen, soll Ingrid S. die neuen Teile der Computerdatensätze anschließend gelöscht haben.
Zunächst flossen die Beträge in bar. Mit einer Vollmacht der betreffenden Person ausgestattet, soll Klaus B. kassiert haben. Laut Anklage kam er häufig drei Mal am Tag. Er war mal an der einen, mal an der anderen Kasse. Ein Jahr lang soll das geklappt haben, ohne dass ein Mitarbeiter des Amtes misstrauisch wurde. Von März 2005 bis Ende Oktober 2005 gingen die Gelder auf Konten. Immer dreister soll Ingrid S. vorgegangen sein. Die fiktiven Beihilfen stiegen auf bis zu 10 200 Euro im Einzelfall.
Die Erinnerungen an die einstige Sachbearbeiterin mit den rot gefärbten Haaren waren wohl bereits verblasst, als wieder ihr Name fiel. Bei der Suche nach einem verschwundenen Vorgang sei man auf dubiose Zahlungen gestoßen, die sie veranlasst hatte, hieß es am Rande des Prozesses. Es folgte eine Überprüfung. Im November 2006 klickten die Handschellen. Seitdem befindet sich die Frau wegen des Verdachts der schweren Untreue und Bestechlichkeit in Untersuchungshaft.
„Das Geld allerdings ist nicht mehr vorhanden“, sagte der Ankläger. Überhaupt sei in dem Fall bislang „vieles im Dunkeln“ geblieben. Dazu scheint auch die Frage zu gehören, warum im Bezirksamt der Schwindel so lange nicht auffiel.
Ingrid S. will sich am Donnerstag zu den Vorwürfen äußern. Sie soll den wegen Betruges vorbestraften B. im Dienst kennen gelernt haben – als einen bedürftigen Antragsteller.
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