Bizarrer Streit in Bad Liebenwerda: Ein Ortsteil im Wahlkampf
Aus Frust über ihre Stadtverwaltung boykottieren einige Bürger aus Bad Liebenwerda die Bundestagswahl
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Bad Liebenwerda - Frank Niesar macht sich keine Illusionen. „Das juckt natürlich keinen, wenn wir nicht wählen gehen. Aber wir wollten einfach noch mal auf unser Problem aufmerksam machen“, sagt der Ortsvorsteher von Burxdorf, einem von insgesamt 15 Ortsteilen von Bad Liebenwerda (Elbe-Elster). Dabei klingt Niesar etwas müde, sei es von der vergangenen Nachtschicht oder aber von den immer wiederkehrenden gleichen Fragen der Journalisten, die er seit Ankündigung der Protestaktion beantworten muss: Weil es in dem Ortsteil trotz mehrerer Beschlüsse der Stadt noch immer kein Dorfgemeinschaftshaus gibt, in dem man wählen gehen könnte, wollen sich die rund 100 Wahlberechtigten am 22. September bei Bundestagswahl ihrer Stimme enthalten. „Die rund zwei Kilometer bis zum Wahllokal im Nachbarortsteil Langenrieth sind vor allem für Älteren einfach zu weit“, findet der Ortsvorsteher.
Cornelia Mattauch zufolge, die ebenfalls aus Burxdorf kommt und als parteilose Abgeordnete selbst in der Stadtverordnetenversammlung von Bad Liebenwerda sitzt, kämpfen die Burxdorfer bereits seit 2004 für ein eigenes Dorfgemeinschaftshaus. „Wir haben Versammlungen, es gibt Jugendarbeit, Seniorentreffen. Wir wollen einfach einen Raum, in dem wir uns treffen können“, begründet Mattauch den Wunsch der Burxdorfer. Bereits 2008 hätten sich die Stadtverordneten in einem Grundsatzbeschluss für ein solches Haus ausgesprochen. Erst im vergangenen Jahr sei der Beschluss erneuert worden, berichtet die Kommunalpolitikerin. „Doch bis auf die Beschlüsse ist bislang nichts passiert. Ich gehe einfach davon aus, dass, wenn eine demokratische Entscheidung gefällt wird, sie auch umgesetzt werden muss.“
Mattauch ist sauer. Auf einer Skala von eins bis zehn? „11. Man fühlt sich schon ganz schön verschaukelt“, räumt die 43-Jährige ein. Der Stadt habe man bereits mehrere Varianten vorgeschlagen, sei sogar gemeinsam alles abgelaufen. „Ein Privathaus, ein altes LPG-Gebäude, das alte Gerätehaus der Feuerwehr“, zählt die Burxdorferin auf. Der Feuerwehrschuppen werde sogar bereits teilweise genutzt – aber nur im Sommer. „Da gibt es keine Heizung, keinen Wasseranschluss.“ Der Stadt haben Mattauch, Niesar und die anderen Burxdorfer einen Kostenvoranschlag für den Umbau des verwaisten Gerätehauses vorgelegt. Die Summe unter dem Strich – 170 000 Euro – waren dann aber wohl doch zu viel: Das Stadtparlament hat den Vorschlag kurzerhand abgelehnt.
Eine weitere Option wäre laut Niesar das Privathaus, die alte Burxdorfer Schule. Aber auch dort scheint kein Vorankommen möglich. „Von der Stadt wird immer alles teurer- und teurergeredet. Wir wollen doch kein Schloss.“ Ein Raum alleine tut es dann aber doch nicht, räumt der Ortsvorsteher ein. Sanitäre Anlagen müsste es auch geben und das Ganze natürlich möglichst barrierefrei – wegen der vielen älteren Einwohner.
Für den Wunsch der Burxdorfer hat Gerd Engelmann, Kämmerer von Bad Liebenwerda, durchaus Verständnis. „Man muss es aber eben auch einmal nüchtern betrachten. Mit nur rund 130 Einwohnern dürfte Burxdorf nach Landesvorgabe streng genommen eigentlich gar kein Ortsteil mehr sein. Ein Neubau, wie ihn die Bürger eigentlich wollen, steht in gar keinem Verhältnis und der Eigentümer der alten Schule hat sich noch nicht endgültig entschieden“, so der Hüter der Stadtfinanzen.
Neubau? Obwohl es gerade einmal knapp 1500 Meter von der Stadtverwaltung Bad Liebenwerda nach Burxdorf sind, scheint die Kommunikation schwierig zu sein. „Wir haben nur gesagt, am Ende ist manchmal ein Neubau günstiger als die Sanierung und der Umbau eines alten Hauses“, stellt Ortsvorsteher Frank Niesar richtig.
Martina Weyrauch, Leiterin der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, hat den Wahlboykott der Burxdorfer im Fernsehen bereits als „ziemlich unemanzipiert“ und „typisch DDR“ abgetan. Ändern könne man damit nichts. Das sagt auch Gerd Engelmann: „Wenn man etwas haben will, nutzt man die Chance der Stunde. Deswegen haben wir aber auch keinen Euro mehr in der Stadtkasse“, so der Stadtkämmerer.
Mattauch und Niesar wollen eigenen Angaben zufolge auch vielmehr ein Zeichen setzen, als Druck machen. Von den Medien fühlt sich die Stadtverordnete teilweise falsch verstanden, einzig auf den Wahlboykott und die Frage eines nahen Wahllokals reduziert. „Es geht um unser Gemeinschaftsleben“, sagt sie stattdessen. Keiner werde aufgefordert, am 22. September nicht zu wählen. „Ich werde keinen anketten und auch keine Straßensperren aufstellen.“ Matthias Matern
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