Brandenburg: Einbruch nach Anstoß
Juwelierraub am Potsdamer Platz in Berlin. Fluchtwagen mit Deutschlandfahne geschmückt
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Berlin - Während 100 000 Fußballbegeisterte auf der Berliner Fanmeile mitfiebern, landen Räuber gleich nebenan den dreistesten Coup des Jahres. Montag, 18.30 Uhr, geht auf einmal alles ganz schnell: Ein Auto schiebt sich rückwärts in die Joseph-von-Eichendorff-Gasse an den Potsdamer-Platz-Arkaden, parkt halb auf dem Bürgersteig. Das Heck des Audi ist mit einer riesigen Deutschlandfahne geschmückt, die verdeckt auch das Nummernschild. Dann springen drei Maskierte aus dem Wagen und rennen die wenigen Meter zum Juwelier „Christ“. Bewaffnet mit Baseballschlägern stürmen sie den Schmuckladen und sind ebenso schnell wieder verschwunden: mit teurer Beute. So beschreibt eine Verkäuferin des gegenüberliegenden Tee-Ladens den Tathergang.
Die 41-Jährige hat den Überfall beobachtet und die Polizei gerufen. Im Juweliergeschäft befanden sich zu der Zeit Kunden und Personal, insgesamt neun Personen. Nach Angaben der Polizei zwangen die Täter sie, sich auf den Boden zu legen, schlugen die Vitrinen ein, griffen sich den Schmuck und stürmten wieder hinaus. Auch eine Schusswaffe hätten die Täter auf die Leute gerichtet, sagt die Polizei. „Nach zwei Minuten war alles vorbei“, erzählt die Verkäuferin. „In der Zeit haben es nicht mal die Sicherheitsmänner hierhergeschafft.“
Acht bis zehn Wachschützer seien täglich im Einkaufszentrum unterwegs und machten Rundgänge auf allen Etagen, erklärt ein Mitarbeiter des Sicherheitspersonals. „Die Vermutung liegt nahe, dass die Täter das WM-Spiel genutzt haben“, sagt Centermanager Lutz Heinicke. „Deutschland war abgelenkt.“ Ein mit einer überdimensionierten Fahne geschmücktes Auto und Menschen mit Masken fielen draußen nicht groß auf. Konsequenzen habe das Sicherheitspersonal nicht zu fürchten: „Wir sind gut aufgestellt, die Wachmänner können nicht überall gleichzeitig sein.“ Solche Überfalle würden von langer Hand geplant und vorbereitet. Die Kripo ermittelt.
Am Montagabend war das Einkaufszentrum fast leergefegt. Bei schönem Wetter und während des ersten Spieles der Nationalmannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft „war hier Totentanz“, sagt ein Verkäufer aus dem gegenüberliegenden Bekleidungsgeschäft. Seine Kolleginnen sagen, so etwas hätten sie noch nicht erlebt. Am Potsdamer Platz gebe es eher Probleme mit Diebstahl im großen Stil.
In der „Christ“-Filiale will sich am Dienstag niemand zum Vorfall äußern. Handwerker tauschen am Vormittag die Vitrine aus, eine Putzfrau fegt die Glassplitter auf dem Teppich zusammen. „Aufgrund einer technischen Störung“ öffne das Geschäft erst um 11 Uhr, steht auf einem Schild. „Wir dekorieren um“, heißt es im Schaufenster.
Im August 2011 waren schon einmal Täter in die Filiale des Schmuckgeschäftes am Potsdamer Platz eingebrochen. Damals rasten die Räuber nachts mit einem gestohlenen Wagen ins Einkaufszentrum, drückten mit dem Volvo die Gitter des Juwelierladens ein, stahlen teuere Uhren und verschwanden wieder. Sie sind bis heute nicht gefasst. Auch dieses Mal hatten die Täter es auf eine Vitrine mit kostbaren Uhren abgesehen. Ähnlich dreist war auch der Überfall auf ein Pokerturnier im Hyatt-Hotel am Potsdamer Platz. Vier Männer, damals 19 bis 21 Jahre alt, stürmten am 6. März 2010 bewaffnet das Tunier und flohen mit 242 000 Euro. Sie wurden jeweils zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. Sara Schurmann
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