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Gegen den Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag Matthias Beigel wird wegen Unfallflucht ermittelt.

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Ermittlungen gegen SPD-Politiker: Eine Fahrerflucht im nächtlichen Wahlkampfrausch

Gegen den Sprecher der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Unfallflucht. Matthias Beigel ist nachts gegen eine Leitplanke gefahren und ließ sein demoliertes Auto einfach stehen. Erst acht Stunden später meldete er sich bei der Polizei.

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Potsdam - Für die SPD-Landtagsfraktion war die Sache am Mittwochvormittag nach einer kurzen Aussprache auf ihrer Klausurtagung in Joachimsthal (Barnim) vom Tisch. Es ging um Matthias Beigel, der Pressesprecher und damit die Stimme der Fraktion ist. Und gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt – wegen Unfallflucht.

Der Vorfall ereignete sich am 7. August, mitten in der Nacht. Ein LKW-Fahrer fuhr durch Schönwalde-Glien (Havelland) und sah einen Mitsubishi, der von der Straße abgekommen war. Um 2.30 Uhr rief er bei der Polizei an und meldete den Unfall. So steht es im Polizeibericht. Ein Streifenwagen wurde losgeschickt, die Beamten fanden den zerbeulten und verlassenen Wagen an einer Brücke. Für sie war die Sache klar: Der Fahrer muss das Auto mit hoher Geschwindigkeit in die Leitplanke gesteuert und sich vom Unfallort unerlaubt entfernt haben. Erst einige Stunden später, gegen elf Uhr, meldete sich der Fahrer per Telefon bei der Polizei. An der Leitung war Matthias Beigel. Er „gab an, den Unfall selbst verursacht zu haben. Der 31-Jährige hatte sich dabei leichte Verletzungen zugezogen“, heißt es im Polizeibericht. Ein sofort angeordneter Alkoholtest ergab null Promille.

„Wir ermitteln wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort“, erklärte der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Ralf Roggenbuck, gestern und bestätigte damit einen „Bild“-Bericht. Beigel „soll einen Schaden von schätzungsweise 1700 Euro an der Leitplanke hinterlassen haben“. Auf PNN-Anfrage bestätigte auch Beigel den Unfall, der nun fünf Wochen zurückliegt. Beigel kandidierte für die Bürgermeisterwahl in Schönwalde-Glien am vergangenen Sonntag. Den Polizisten erzählte der 31-Jährige, er sei nachts zum Plakateaufhängen unterwegs und müde gewesen. Gestern betonte er: „Der Unfall geschah in der Nacht, ein Handy hatte ich vor Ort nicht zur Verfügung, ich stand zudem unter Schock.“ Dass zwischen dem Unfall und seinem Anruf bei der Polizei acht Stunden vergingen – dafür gebe es Erklärungen, die er mit „den zuständigen Stellen“ besprechen werde. Und: Alkohol sei nicht im Spiel gewesen. Eine Polizeisprecherin sagte den PNN, wenn sich Fahrer nach einer Unfallflucht erst Stunden später melden, „gibt es dafür verschiedenen Gründe“: eine fehlende Fahrerlaubnis, weil jemand anderes am Steuer saß oder weil Drogen und Alkohol im Spiel waren. Wer mit 0,3 Promille einem Unfall baut, begeht eine Straftat. Auf Fahrerflucht stehen Geldstrafen und bis zu drei Jahre Haft.

Für Beigel ist der Vorfall brisant. Der 31-Jährige tüftelt seit Jahren an seiner politischen Karriere und soll in der brandenburgischen SPD zur wichtigen Nachwuchskraft aufgebaut werden. Er war bereits persönlicher Referent von Schleswig-Holsteins Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), wechselte mit ihr zum Kinderhilfswerk Unicef, wo Simonis als Vorsitzende über Spitzelvorwürfe gegen ihren Vertrauen Beigel stürzte. In der Brandenburger SPD fand er eine neue Heimat und wurde direkt in die Spitze des Parteiapparates eingebunden. Etwa bei einem Spendenessen im Februar 2009 für sieben Manager und Unternehmer. Gastgeber waren SPD-Landeschef Matthias Platzeck und der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der für die märkische SPD als Bundestagskandidat antrat. Beigel war nach dem Essen dafür zuständig, Generalsekretär Klaus Ness über den Spendenfluss auf dem Laufenden halten. Er berichtete auch über Versuche, bei den Gästen Beiträge einzusammeln. Neben Ness war auch Ex-Innenminister Rainer Speer beteiligt. Der war damals noch der starke Mann der Landes-SPD und Ortschef der Genossen in der Schönwalder Nachbarstadt Falkensee. Der „Stern“ berichtete über den Verdacht, dass die Herkunft der Spenden verschleiert werden sollte. Die Bundestagsverwaltung prüfte, konnte aber keinen Verstoß gegen das Parteiengesetz nachweisen.

In Platzecks Landtagswahlkampf im Sommer 2009 wurde Beigel dann als Beobachter der politischen Gegner eingesetzt. Schließlich ließ sich der 31-Jährige in Schönwalde-Glien nieder, kaufte sich ein Haus. In der Kreisverwaltung von Havelland bekam er einen Posten als Referent von Landrat Burkhard Schröder, der auch SPD-Unterbezirkschef im Havelland ist. Ende 2010 dann wurde in der Landtagsfraktion die Stelle des Pressesprechers frei, dort ist Beigel seither tätig.

In Schönwalde-Glien, wo die CDU seit Jahren regiert, sollte er die zerstrittene SPD wieder stark machen. Bei der Bürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag verlor er aber gegen den Amtsinhaber der CDU. Zumindest gelang ihm ein Achtungserfolg. Die örtlichen Genossen führt er mit harter Hand, die Lokalpresse berichtete von einem „Hochglanzwahlkampf“, von einem vierstelligen – für Schönwalder Verhältnisse ungewöhnlich hohen – Budget, aber auch von Parteiaustritten, irritierten Genossen, die am Wahlabend lieber bei der CDU feierten, und einem strikten Oppositionskurs, der tiefe Gräben in der Gemeinde hinterließ.

Bereits wenige Tage vor der Bürgermeisterwahl am vergangenen Sonntag machte das Gerücht über den Unfall in Schönwalde-Glien die Runde. Beigel wurde sogar von einem CDU-Mann darauf angesprochen, worauf er nun ausdrücklich hinwies. Am Dienstagabend schließlich wusste der SPD-Politiker von dem am Mittwoch erschienenen Bericht der „Bild“ über seinen Unfall - und dass darin „über Fahrerflucht und Alkohol spekuliert“ würde. Für Beigel besteht da ein Zusammenhang: „Dass ein Verkehrsunfall von mir dazu genutzt werden soll, meine Person in Misskredit zu bringen, empfinde ich für die Wortführer als peinlich.“ Ermittelt wird trotzdem.

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