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Brandenburg: Eine haarige Sache

Muss Nacktkater Willi kastriert werden? Das hat das Verwaltungsgericht jetzt entschieden

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Berlin - Eine Schönheit ist Kater Willi wahrlich nicht – er hat keine Haare. Willi gehört zur Rasse der kanadischen Sphynx-Katzen. Auch wenn er in den Augen der meisten nicht schön ist, auch nicht süß oder gar kuschelig, so ist er doch teuer – eine Katze dieser Art kostet zwischen 500 und 700 Euro.

Jacqueline L. aus Spandau züchtet Canadian Sphynx, und dafür braucht sie Willi. Doch der muss nun kastriert werden. So verlangte es das Bezirksamt Spandau, und das Berliner Verwaltungsgericht bestätigte am Mittwochnachmittag diese Entscheidung.

Das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt des Bezirks hält es für Qualzucht, Katzen ohne Tasthaare zu züchten, und Qualzucht ist laut Tierschutzgesetz verboten. Es schrieb deshalb im Juni 2014 an Jacqueline L., verbot ihr die weitere Zucht und forderte sie auf, Kater Willi kastrieren zu lassen.

Das ließ L. sich nicht gefallen. Sie ging vors Verwaltungsgericht. Doch die Tierschutzkammer wies ihre Klage ab. Im Termin wurde zuvor ein Gutachter gehört.

Der Paragraf 11 b Tierschutzgesetz, um den es ging, ist noch ziemlich neu, dadurch ist die ganze Sache ein Pilotverfahren. Im Bereich der Qualzucht gebe es noch keine Entscheidung, sagt der Vorsitzende Richter Christian Oestmann, und: „Im Grunde geht es um die Grenzen von Liebhaberei.“ Klägerin L. hat drei Weibchen und eben Willi; alle seien gesund, genetisch untersucht und sogar bei Wettbewerben ausgezeichnet. Dem Bezirksamt Spandau ist das egal – und dem Gesetzgeber auch. Den Katzen fehlen die Bärte, sie heißen Tasthaare oder noch präziser Vibrissen, und diese Haare helfen ihnen bei der Orientierung und bei der Kommunikation. Der Gutachter Thomas Göbel hat L.s Katzen untersucht und festgestellt, dass sie keine Tasthaare haben; im Übrigen habe er auch sonst noch nie eine Canadian Sphynx mit Tasthaaren gesehen. Die Folge: „Ihnen fehlt eindeutig ein Sinnesorgan – ähnlich wie wenn ein Mensch nichts riechen oder tasten könnte.“ Frage der Vertreterin des Bezirksamts: „Würden Sie das Fehlen eines Sinnesorgans als Schaden werten?“. Darauf Göbel: „Ja.“

Und ein Schaden wiederum steht im Gesetz als Verbotsgrund. Die Klägerin, 41 Jahre alt, kündigte an, durch alle Instanzen zu gehen. Sie vermutet eher persönliche als sachliche Motive hinter dem Handeln des Bezirksamts, da kein anderer Berliner Züchter derartige Probleme bereitet bekomme. Das Gericht ließ die Berufung zu.

Die Qualzucht wird im Paragrafen 11 b des Tierschutzgesetzes verboten. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Aber was ist ein vernünftiger Grund? Als Ausnahme gelten wissenschaftliche Zwecke, sprich Tierversuche. Hier ist Qual egal, und deshalb ist zum Beispiel die Nacktmaus kein Problem. Sie ist ein Modellorganismus, der für die Forschung wichtig ist.Die Nacktkatze ist für die Wissenschaft dagegen wertlos; ihr Vorteil liegt darin, dass Allergiker mit ihr leben können. Außerdem ist die Canadian Sphynx schon seit 1971 als Rasse anerkannt.Fatina Keilani

Fatina Keilani

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