FILMFESTSPIELE: „Eine Schande, die nicht korrigiert wurde“
Berlinale politisch: Der Film „Hotel Rwanda“ erzählt die Geschichte des Völkermords in Ruanda – und die Geschichte des Hotelmanagers Paul Rusesabagina, der 1200 Menschen das Leben rettete
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FILMFESTSPIELEBerlinale politisch: Der Film „Hotel Rwanda“ erzählt die Geschichte des Völkermords in Ruanda – und die Geschichte des Hotelmanagers Paul Rusesabagina, der 1200 Menschen das Leben rettete Von Sabine Schicketanz Berlin - Nur sieben Tage, bevor der Völkermord in Ruanda begann, kehrte Paul Rusesabagina mit seiner Familie von Brüssel zurück nach Kigali. Hätte er geahnt, was geschehen würde, niemals hätte er das Flugzeug in die ruandische Hauptstadt bestiegen. „Doch wir haben der internationalen Gemeinschaft vertraut“, sagt Paul Rusesabagina. Zu Unrecht. Als 1994 binnen einhundert Tagen die Mehrheit der Hutu in dem afrikanischen Staat nahezu eine Million Tutsi ermordeten, schaute die westliche Weltgemeinschaft weg. Die Weißen wurden ausgeflogen, das Land sich selbst überlassen. „Ich habe mich komplett verändert“, sagt Paul Rusesabagina heute. „Ich vertraue niemandem mehr.“ Nun erzählt erstmals ein Film die Geschichte des Völkermords in Ruanda – und die Geschichte des Paul Rusesabagina. Am späten Freitagabend hatte „Hotel Rwanda“ des irischen Regisseurs Terry George auf der Berlinale Premiere. Der Film läuft im Wettbewerb, aber außer Konkurrenz. Was auf der Leinwand zu sehen ist, sei zu neunzig Prozent so geschehen, sagt Paul Rusesabagina. Regisseur George habe nur ein wenig „Salz und Pfeffer“ hinzugefügt. Rusesabagina war damals Manager des belgischen Hotels „Mille Collines“ in Kigali. Mehr als 1200 Tutsi bewahrte er in dem Sterne-Hotel vor den mordenden Hutu. „Ich habe nicht beschlossen, ihnen zu helfen“, sagt Paul Rusesabagina, der selbst zu den Hutu gehört, dessen Frau Tatiana aber Tutsi ist. Es sei für ihn schlicht Pflicht und Verantwortung gewesen, den Menschen Schutz zu gewähren. Die Möglichkeit hatte er, weil in dem Hotel die politischen und militärischen Machthaber verkehrten, die Befehlshaber der UN-Schutztruppen, Journalisten. Mit Verhandlungsgeschick und Bestechung gelang es Rusesabagina immer wieder, die Hutu vom Hotel fern zu halten, ihr Morden aufzuhalten. In „Hotel Rwanda“ spielt der US-amerikanische Schauspieler Don Cheadle Hotelmanager Paul Rusesabagina, Sophie Okonedo aus Großbritannien – sie drehte im vergangenen Herbst in Potsdam den Film „Aeon Flux“ an der Seite von Charlize Theron – seine Frau Tatiana. Beide sind für ihre Rollen für den Oscar nominiert, ebenso der gesamte Film (Filmkritik PNN vom 11.2.). Doch die Nominierung ist nicht nur für Cheadle bloß eine Zugabe. Der Film solle die Aufmerksamkeit auf Afrika lenken, sagt Cheadle, auch auf das, was gerade in Darfur im Sudan geschieht – und was dem Geschehen in Ruanda vor elf Jahren so sehr ähnelt. Er hoffe, sagt Regisseur George, dass sein Film auf politisches wie auch auf künstlerisches Interesse stoßen wird. Afrika sei besonders von den Filmemachern in Hollywood „aktiv gemieden“ worden. Dass die westliche Welt, die Vereinten Nationen in Ruanda weggesehen haben, sei „eine Schande, die bisher nicht korrigiert wurde“. Die Aussage sei eindeutig: „Ein Menschenleben in Afrika ist weniger wert als im Rest der Welt.“ Im Film lässt George dies den hilflosen UN-General (Nick Nolte) aussprechen: „Du bist nicht nur ein Schwarzer, du bist ein Afrikaner, verdammt“, sagt er zu Rusesabagina, als klar ist, dass es keine militärische Intervention geben wird, um den Völkermord zu stoppen. Vom Unvorstellbaren zu erzählen, ohne es zu zeigen – eine andere Wahl habe es für ihn nicht gegeben, sagt Regisseur George. Die Kamera durfte Paul Rusesabagina nie verlassen, die Gewalt im Film musste da aufhören, wo das Abschlachten begann, das sei seine Entscheidung gewesen. Denn für das, was in Ruanda geschehen sei, gebe es keine Bilder: „800 000 Menschen wurden getötet, nicht mit Technik, sondern einer nach dem anderen, mit Macheten.“ Für Paul Rusesabagina soll der Film, der seine Geschichte erzählt, vor allem eine Botschaft transportieren, ein Weckruf sein. „Leider lernen wir Menschen nie aus der Geschichte“, sagt er. Wer den Film sehe, werde nicht alles behalten, „aber es gibt immer etwas, das im Kopf bleibt“. Im März soll „Hotel Rwanda“ das erste Mal in Kigali gezeigt werden.
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