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Brandenburg: Eine teure Reserve
Viele Flüchtlingsheime in Brandenburg stehen leer. Kosten verursachen sie trotzdem – dafür zahlen müssen die Kommunen. Sie fordern nun mehr Geld vom Land
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Potsdam/Michendorf - Das ehemalige Sensconvent-Hotel in Michendorf (Potsdam-Mittelmark) ist ein Beispiel für die verzwickte Situation, in die Brandenburgs Landkreise nach dem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen geraten sind. „Wir haben das Hotel im vergangenen Herbst für mehrere Jahre angemietet, um Platz für die zahlreichen ankommenden und erwarteten Flüchtlinge zu schaffen“, sagt der zuständige Referatsleiter des Landkreises, Martin Rätz. Über die Kosten herrscht offiziell Schweigen, nach Zeitungsberichten soll es aber um mehr als drei Millionen Euro gehen. In das Haus mit 125 Zimmern sollten im Frühjahr rund 250 Flüchtlinge einziehen, dafür wurden auch Gemeinschaftsräume und Küchen eingebaut. Dann wurde das Hotel nicht mehr gebraucht. Nun läuft ein Rechtsstreit. „Vereinbart war, dass wir erst Miete bezahlen, wenn das Hotel bezugsfertig ist“, betont Rätz. Und soweit ist es aus Sicht des Kreises auch aus baurechtlichen Gründen noch nicht.
So wie der Landkreis Potsdam-Mittelmark versuchen nach Angaben des Geschäftsführers des Brandenburger Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, auch andere Kommunen aus den Verträgen für nicht mehr benötigte Immobilien herauszukommen. „Dies wird nicht in allen Fällen gelingen“, meint Böttcher. Er sieht nun das Land in der Pflicht, den Kommunen zu helfen, den Leerstand zu bezahlen.
„Im vergangenen Herbst sagte alle Welt vom Land bis zum Bund, das wird mit den Flüchtlingen noch lange so weitergehen – also schafft Unterkünfte“, so Böttcher. Aber warum wurden dann gleich Verträge über Jahre abgeschlossen? „Die Kommunen hätten sonst nichts gekriegt“, erklärt er. „Der Markt war leer gefegt und überhitzt.“ Das bestätigt Rätz. „Das Gros der Verträge bei unseren 16 Heimen im Betrieb liegt bei viereinhalb Jahren“, sagt er.
Nach Einschätzung des zuständigen Sozialministeriums ist das Problem mit dem Leerstand weniger dramatisch. Von den in Windeseile errichteten Gemeinschaftsunterkünften und Wohnverbünden stünden nur zwölf Einrichtungen mit knapp 700 Plätzen komplett leer. Allerdings gäbe es landesweit rund 10 000 freie Betten in den kommunalen Heimen, weil nicht mehr alle voll belegt seien. Das Land ist froh über diese Reserve. „Es kann ja keiner abschätzen, wie es weitergeht – und dann ist es gut, noch Luft zu haben“, meint Sprecherin Marina Ringel.
In den ersten acht Monaten dieses Jahres kamen knapp 8000 Asylbewerber nach Brandenburg. 28 000 waren es im gesamten Vorjahr, wie das Innenministerium am Freitag mitteilte. Insbesondere die Zahl der Syrer sei deutlich zurückgegangen. Waren im vergangenen Jahr noch knapp 13 700 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht, waren es in diesem Jahr bislang knapp 3000. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im November 2015 kamen gut 3300 Menschen binnen eines Monats aus Syrien nach Brandenburg, im August diesen Jahres waren es nur noch 41. Während im Herbst 2015 bis zu 5500 Flüchtlinge im Monat untergebracht werden mussten, sank deren Zahl entsprechend auf derzeit etwa 500. Daher wurde die Zahl der Plätze in den Erstaufnahmen um 1000 auf 4500 gesenkt. Dort sind derzeit knapp 1800 Menschen untergebracht.
Die Betten-Reserve kommt die Kommunen teuer zu stehen, rechnet der Städte- und Gemeindebund vor. „Allein die vier kreisfreien Städte haben uns für dieses Jahr Kosten in Höhe von vier Millionen Euro für leer stehende Unterkünfte gemeldet“, sagt Böttcher. „Wenn man das mit einem gewissen Abschlag noch auf die 14 Landkreise hochrechnet, kommen da noch mal zwölf Millionen Euro hinzu.“ Diese Tendenz belegt auch die Auskunft aus dem Kreis Märkisch-Oderland. „Wir haben derzeit knapp 1800 Plätze, davon stehen 450 leer“, sagt Kreissprecher Thomas Behrendt. „Wir fordern vom Land einen fairen Lastenausgleich.“
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verweist auf laufende Verhandlungen mit den Kommunen – und zunächst auf den Bund. „Wir haben aber auf Landesebene dieselbe Situation: Der Bund finanziert gerade mal 30 Prozent der Kosten, 70 Prozent tragen Land und Kommunen.“ Die Länder verlangten vom Bund mindestens eine 50-Prozent-Finanzierung. „Da fehlen uns hier in Brandenburg immer noch 150 Millionen Euro vom Bund.“ Dennoch will sich Woidke den Städten und Gemeinden nicht komplett verweigern. Für die leeren Immobilien würden parallel alternative Verwendungen gesucht. Wo dies nicht gelinge, werde das Land helfen „wo es geht“, so Woidke. (mit dpa / PNN)
Klaus Peters
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