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Von Thorsten Metzner: Eklat im Prozess gegen früheren Rechnungshof-Vize

Gericht sieht Verdacht der Zeugenbeeinflussung / Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue als Zeugin geladen

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Potsdam - Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) droht vor dem Potsdamer Landgericht ein Kreuzverhör wegen einer alten Brandenburger Affäre. In einem Prozess, der in Deutschland ohne Vorbild ist – und der immer mehr aus dem Ruder gerät. Die frühere Brandenburger Rechnungshof-Präsidentin wird kommenden Donnerstag als Zeugin im Betrugs-Verfahren gegen den Rechnungshof-Vize Arnulf Hülsmann vernommen. Der 60-jährige Rheinländer ist erneut angeklagt, als einer der höchsten Finanzkontrolleure des Landes zwischen 1998 und 2001 fingierte Reisekosten abgerechnet zu haben, nachdem der Bundesgerichtshof 2006 einen ersten Freispruch des Landgerichtes wegen schlampiger Beweiswürdigung aufgehoben hatte.

Der Auftritt der Justizsenatorin, die Hülsmann wegen der Vorwürfe – es ging um den Verdacht eines Schadens von 45 000 Euro – 2003 suspendiert und die Generalstaatsanwaltschaft eingeschaltet hatte, wird mit Spannung erwartet. Hülsmanns-Verteidigerin Heide Sandkuhl will nachweisen, dass alles eine Intrige von der Aues war, die ihren Stellvertreter mit allen Mitteln loswerden wollte. Gestern beantragte Sandkuhl dazu, als weitere Zeugen den früheren Rechnungshofdirektor Heinz Noack und Aues früheren Fahrer zu vernehmen. Diese könnten bestätigen, dass Aue schon im Jahr 2000 – lange vor der Affäre – geäußert hatte, dass Hülsmann „weg müsse“.

Das alles ist aus Sicht von Staatsanwalt Helmut Lange in der Sache eigentlich ohne Belang für die erhärteten Vorwürfe gegen Hülsmann um manipulierte Abrechnungen, illustriere allenfalls die damaligen Zustände am Hof. Doch in dem Verfahren scheint jetzt nichts mehr ausgeschlossen, selbst dass es platzt. Der Grund: Gestern kam es zu einem auch für die Vernehmung von der Aues bedeutsamen und in den Folgen nicht absehbaren Eklat. Das Landgericht zwang den kurzfristig vorgeladenen Präsidenten des Landesrechnungshofes Thomas Apelt dazu, ab sofort seinen Prozessbeobachter aus dem Gerichtssaal „zurückzuziehen“. Um eine offene Auseinandersetzung zu vermeiden, fügte sich Apelt erst einmal – behielt sich jedoch vor, seine Entscheidung zu revidieren. Der Beobachter hatte im Auftrag Apelts die Verhandlungen für die parallel laufenden Verwaltungs- und Disziplinarverfahren gegen Hülsmann protokolliert. Das ist unstrittig. Das Gericht sah jedoch eine unzulässige „Zeugenpräparierung“ darin, dass just diese Protokolle einem der Zeugen, nämlich dem früheren Leiter der Präsidialabteilung des Hofes, Werner Heinrichs, bekannt waren – ehe dieser selbst von der Kammer vernommen wurde. Im Strafrecht dürfe es nicht sein, dass Zeugen wissen, was frühere Zeugen ausgesagt hätten, so die Vorsitzende Richterin Ulrike Phieler-Morbach. Sie drohte sogar damit, notfalls den Hof-Beobachter „sitzungspolizeilich“ aus dem Saal weisen zu lassen. Zwar verwahrte sich Apelt „schockiert“ und „entschieden“ gegen den „haltlosen Vorwurf der Prozess-Manipulation“. Er verwies darauf, dass der Hof in den Verwaltungsverfahren „immerhin rund 100 000 Euro“ von Hülsmann zurückfordere, und er deshalb den Strafprozess verfolgen müsse. Von einer Zeugenbeeinflussung könne keine Rede sein, so Apelt. Die Große Wirtschaftsstrafkammer sah das „anders“, wie Richterin Phieler-Morbach betonte – und auf ein einschlägiges Urteil des Bundesgerichtshofes verwies. „Das ist unser Rom. An seine Entscheidungen müssen wir uns halten.“ Der Vorgang wird noch brisanter, weil dem Vernehmen nach auch Berlin zeitweise Beobachter in den Hülsmann-Prozess geschickt hatte – offenbar wegen des bevorstehenden Auftrittes der Senatorin.

Für Heiterkeit sorgte die Vernehmung des Rechnungshof-Mitarbeiters Torsten S., der die Verhandlungen bisher mitschrieb - bis auf eine, wie er nun einräumte. Aber auch diese war nach seiner Aussage für den Hof protokolliert worden, in einem „anonymen Vermerk“ und zwar „von meiner Freundin“. Der 32-Jährige selbst hatte Urlaub: „Ich bin Rheinländer und war zum Karneval.“ 

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