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Brandenburg: Elf Jahre Kampf gegen das „Bombodrom“

Die BI „Freie Heide“ erhält von der Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille

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Die BI „Freie Heide“ erhält von der Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille Von Sandra Schipp Zühlen. Jahrzehntelang wurden im Nordwesten Brandenburgs regelmäßig Bomben abgeworfen. Sowjetische Truppen nutzten das Militärareal bei Wittstock für ihre Übungen. Zehntausende Einsätze flogen die Kampfjets dort Jahr für Jahr. Inzwischen herrscht zwar Ruhe auf dem Gelände, doch der Schein trügt: Ginge es nach der Bundeswehr, die das so genannte Bombodrom nach der Wende übernommen hat, würden längst wieder Kampfflieger über die Heidelandschaft düsen. Doch die meisten Bewohner der Urlauberregion stehen diesen Plänen ablehnend gegenüber. Seit 1992 organisiert die Brandenburger Bürgerinitiative (BI) „Freie Heide“ den Widerstand gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Zu ihren Protestwanderungen, Aktionstagen und Sommercamps kommen regelmäßig Tausende Menschen. Am Sonntag wird die BI von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille geehrt. Damit wird das Engagement der Gruppe für die Interessen der Bürger und für die Friedensarbeit ausgezeichnet. Die Ehrung gebe dem Widerstand in der Region neue Kraft, sagt Benedikt Schirge von der Bürgerinitiative. Eine solche öffentliche Anerkennung sei auch wichtig, denn es liege noch ein langer, schwerer Weg vor ihnen. Die Gerichte könnten einen Bombenabwurfplatz nicht verbieten, daher bedeuteten Klagen gegen das „Bombodrom“ nur einen Zeitgewinn. Die BI müsse versuchen, eine politische Lösung zu erreichen. Den bisherigen Widerstand gegen das „Bombodrom“ wertet Schirge als Erfolgsstory. Es sei wie der Kampf von David gegen Goliath. Auf der einen Seite stehe das größte Ministerium der Bundesrepublik mit einer Schar von Juristen, auf der anderen Seite die „verhältnismäßig bescheidene“ Bürgerinitiative, die für Anwälte erst einmal Geld sammeln müsse. Dennoch sei es der Bundeswehr bislang nicht gelungen, den Abwurfplatz in Betrieb zu nehmen. Die Bürgerinitiative hat derzeit rund 1000 Mitglieder vom Professor über den Unternehmer bis zur Hausfrau. Die „Freie Heide“ sei längst eine echte Größe im gesellschaftlichen Leben der Region, sagt Schirge. Unterstützung komme inzwischen aus ganz Deutschland. Am Neujahrstag werde von Schweinrich aus der 87. Protestmarsch gegen das „Bombodrom“ starten. Erneut würden Tausende Menschen erwartet. Ein solcher Widerstand sei „erstaunlich für eine ländliche Region“. Die Siege, die die „Freie Heide“ vor verschiedenen Gerichten gegen die Bundeswehr davongetragen habe, hätten noch mehr Unterstützung gebracht. Auch viele Unternehmen stünden voll hinter dem Anliegen der Bürgerinitiative und hätten inzwischen selbst eine Initiative „Pro Heide“ gegründet. Die Pläne der Bundeswehr seien „Gift für die Region“, kritisiert Schirge. Ohne einen drohenden Bombenabwurfplatz hätten sich Nordbrandenburg und Südmecklenburg touristisch viel weiter entwickeln können. Doch viele potenzielle Investoren würden abgeschreckt. Kriegsschauplätze mitten in bewohnten Gebieten seien nicht nur ethisch verwerflich. Das „Bombodrom“ sei auch aus militärischer Sicht längst überflüssig geworden, betont Schirge. Vieles könne auch am Simulator geübt werden. Zudem sei heute unwahrscheinlich, dass Tiefflieger für Nahkämpfe genutzt werden. Und gegen den wachsenden Terrorismus könnten Bomben sowieso nichts ausrichten. Die Funktion, die das „Bombodrom“ im Kalten Krieg hatte, sei mit dem Fall der Mauer entfallen. Die Bundeswehr halte nur noch an alten Pfründen fest. Es gebe keinen Grund, warum die Region zum „Bombenklo der Nation“ werden soll. Solange eine Chance für eine friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide bestehe, werde sich die Bürgerinitiative dafür einsetzen. „Wir werden uns nicht in unser Schicksal fügen“, betont Schirge. Sollte das „Bombodrom“ irgendwann doch noch in Betrieb genommen werden, werde noch ein ganz anderer Aufschrei durch die Region gehen.

Sandra Schipp

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