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Brandenburg: Entschädigung für Lehrerin mit Kopftuch
Landesarbeitsgericht sieht Benachteiligung der Klägerin – Berlin muss wegen Diskriminierung zahlen
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Berlin - Das Land Berlin muss einer muslimischen Lehrerin 8680 Euro Entschädigung zahlen, weil diese aufgrund ihres Kopftuchs diskriminiert wurde. Das hat das Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz am Donnerstag entschieden und damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom vergangenen April teilweise abgeändert. Die Kammer unter Vorsitz von Richterin Renate Schaude begründete ihre Entscheidung damit, dass eine Benachteiligung der Klägerin vorliege, und zwar dadurch, dass sie vom Zugang zu den allgemeinbildenden Schulen von vornherein ausgeschlossen sei.
Die Klägerin hatte sich um eine Stelle als Lehrerin beworben. Im Einstellungsgespräch im April 2015 war sie gefragt worden, ob sie vorhabe, das Kopftuch auch im Unterricht zu tragen, was sie bejahte. Daraufhin erklärte man ihr, dass sie dann nicht an allgemeinbildenden Schulen unterrichten dürfe. Zu einem zweiten Gespräch erschien sie nicht. Die Klägerin will an einer Grundschule unterrichten; qualifiziert ist sie zudem für die Sekundarstufe I, wenn auch der Notendurchschnitt mit 3,3 eher unter dem Schnitt der übrigen Bewerber lag.
„Unser Arbeitsvertragsangebot halten wir ausdrücklich aufrecht“, sagte ein Vertreter der Bildungsverwaltung in der Verhandlung. „Wir bieten ihr den gleichen Vertrag, den alle anderen auch bekommen. Im Land Berlin hat kein Lehrer Anspruch darauf, an einer bestimmten Schule oder Schulform zu unterrichten.“ Deswegen könne man eigentlich auch keine Diskriminierung erkennen. Für eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) reicht allerdings ein bloßes Indiz und dieses liegt nach Ansicht der Kammer darin, dass die Klägerin nicht den gleichen Zugang zu allen Schulformen gehabt habe. Die Bildungsverwaltung hätte die Klägerin sehr gerne an einer Berufsschule beschäftigt, da dort Deutschlehrer für die Willkommensklassen benötigt werden. Die Klägerin wollte das nicht und entschied sich stattdessen dafür, einen Job bei der Islamischen Föderation anzutreten, der ihr ermöglichte, Grundschüler zu unterrichten.
In der Verhandlung traten die Zweifel des Gerichts an der Verfassungsgemäßheit des Berliner Neutralitätsgesetzes zutage; insbesondere seit das Bundesverfassungsgericht das Kopftuch an Schulen nur noch im Einzelfall und bei Vorliegen einer „konkreten Gefahr“ als verbietbar ansieht. Zur Sprache kam auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments, das ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungswidrig ist.
Mit dem Urteil dürfte das seit Längerem umstrittene Gesetz seiner Abschaffung nähergekommen sein. „Das ist der Anfang vom Ende des Berliner Neutralitätsgesetzes“, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der zugleich für die Antidiskriminierung zuständig ist. „Es ist ein guter Tag für die Antidiskriminierung“, sagte Behrendt. Möglicherweise zeichnet sich hier ein weiterer Koalitionskrach ab. „Das Berliner Neutralitätsgesetz ist in Kraft und der Senat sieht keine Veranlassung, dies zu ändern“, teilte Senatssprecherin Claudia Sünder mit.
Es ist zu erwarten, dass die politische Diskussion um das Gesetz neu entbrennt. Der CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger forderte den Senat auf, Revision beim Bundesarbeitsgericht einzulegen mit dem Ziel, das Neutralitätsgesetz zu erhalten. „Man stelle sich vor, ein Lehrer mit sichtbarer jüdischer Kippa erteilte einem muslimischen Schüler eine schlechte Note. Worauf würde der Schüler die schlechte Note wohl zurückführen?“, fragt Dregger. Der Schulfrieden erfordere es, dass das Berliner Neutralitätsgebot uneingeschränkt fortbestehe. Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe äußerte sich ähnlich. „Das Berliner Neutralitätsgesetz mag handwerklich zu überarbeiten sein, in der Sache ist es völlig richtig. Ob ein Kopftuch überhaupt religiöse Notwendigkeit und daher durch Artikel 4 des Grundgesetzes geschützt ist, ist stark umstritten“, teilte Luthe mit. AfD-Fraktionschef Georg Pazderski nannte das Urteil ein „fatales Signal zur Ermutigung islamischer Hardliner und Integrationsverweigerer“.
Fatina Keilani
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