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Brandenburg: Entsetzen nach Mord an Wachmann

Ein Toter und drei Verletzte bei nächtlichem Überfall auf Supermarkt in Berlin-Konradshöhe. Der Supermarkträuber ist hochverschuldet und kann sich an seine Bluttat nicht erinnern

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Berlin - Die Kunden, die am Samstagvormittag noch nichts von dem tödlichen Raubüberfall mitbekommen hatten, erfuhren es durch ein Schild vor der Reichelt-Filiale am Konradshöher Falkenplatz in Berlin-Reinickendorf: „Aus technischen Gründen bleibt das Geschäft vorerst geschlossen.“ Irgendjemand hatte die Aufschrift später präzisiert: „Aus menschlichen Gründen.“ Nur wenige Schritte daneben, vor einer Mülltonne, hatten Anwohner Blumen, Tannenzweige, auch Plüschtiere niedergelegt, Kerzen angezündet und an dem Behälter ebenfalls ein Schild befestigt: „Wir Konradshöher trauern um den jungen Mann vom Sicherheitsdienst, der hier gestern Abend brutal ums Leben kam.“ Erst um 14.30 Uhr öffnete am Samstag der Berliner Vertriebsleiter der Supermarktkette die Filiale wieder. Man wolle offensiv mit dem Überfall umgehen, dazu hätten auch die zur Betreuung der Mitarbeiter eingesetzten Psychologen geraten.

Kurz nach Ladenschluss um 22 Uhr war der Täter am Freitag mit mehreren Waffen – darunter einem Messer – in den Supermarkt eingedrungen, hatte einen Kassierer bedroht und die Herausgabe von Bargel verlangt. Was dann genau geschah, ist noch unklar. Nach ersten Erkenntnissen soll Ugur U. versucht haben, gegen den Eindringling vorzugehen. Die Situation eskalierte. Der Täter wehrte sich, Ugur U. erlitt dabei so schwere Stichverletzungen, dass er wenig später noch am Tatort starb. Ein Ermittler der Polizei sagte, dass der Wachmann nicht bewaffnet gewesen sei. „In der Regel tragen die Sicherheitsbediensteten auch keine Waffe. Sie sind da, um Aufsicht zu führen und bei Vorfällen, die Polizei zu rufen.“

Auch der 45-jährige Filialleiter Frank U. wurde, offenbar bei dem Versuch, den Räuber festzuhalten, schwer verletzt, ist aber außer Lebensgefahr. Der Kassierer erlitt leichte Verletzungen.

Der Täter, der beim Kampf am Oberkörper verletzt wurde, flüchtete. Kurze Zeit später konnten Streifenpolizisten den mutmaßlichen Räuber, einen 22-Jährigen aus Berlin-Friedrichshain, in der Nähe festnehmen. Der Deutsche war der Polizei bis dahin nicht bekannt. „Noch in der Klinik wurde der Mann vernommen. Er gestand den Raub. Doch an die Verletzungen, die zum Tode des Wachmanns führten, könne er sich nicht erinnern“, sagte eine Justizsprecherin.

Am Samstagabend wurde gegen den Täter Haftbefehl wegen Mordes und versuchten schweren Raubes mit Todesfolge erlassen. In ersten Vernehmungen hat er auch das Motiv für seine Tat genannt: Offenbar waren es Schulden bei der Bank, die ihn auf den Plan brachten, den Reichelt-Markt zu überfallen.

Am Samstagnachmittag war auch Ali U., der Bruder des getöteten Wachmannsmittag zur Reichelt-Filiale gefahren, „um sich ein Bild von dem Tatort zu machen“, wie er sagte. Den Wachschutz-Job habe Ugur nur aushilfsweise vier Stunden täglich gemacht. Eigentlich sei er Berufsschüler gewesen, wollte Friseur werden. Ugur habe sich etwas Geld dazuverdient – der Vater und ein anderer Bruder starben vor mehreren Jahren, die Mutter arbeite als Putzfrau, erzählte der Bruder.

„War das der junge Dunkelhaarige, der hier öfter stand?“ Das fragten sich Stammkunden, die sich nachmittags immer wieder zu kleinen Gruppen zusammenfanden und über die Tat sprachen. Das Schicksal des Wachmanns erschütterte sie, eine Frau brach in Tränen aus, nachdem sie Blumen niedergelegt hatte. Geschockt waren viele, weil sich die Tat nicht in fernen Problembezirken, sondern vor der Haustür ereignet hatte. „Wir dachten, wir leben in einer friedlichen, gutbürgerlichen Ecke“, sagte Ute Schöder, die mit ihrem Mann ebenfalls Blumen niedergelegt hatte. Mal eine Prügelei zwischen Jugendlichen und Polizisten, mehr sei nicht vorgefallen.

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