Von Thorsten Metzner: Erneuerung aus eigener Kraft?
Noch stützt die SPD Ex-Minister Rainer Speer – aber immer mehr Sozialdemokraten gehen auf Distanz
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Potsdam - Die Unterhalts-Affäre des früheren Innenministers Rainer Speer wird zur Belastung für die brandenburgische Sozialdemokratie. Die SPD-Fraktion im Landtag steht nach Außen zwar weiter zu Speer, dem engsten Vertrauten von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD). Es habe keine Rücktrittsforderungen gegeben, erklärte am Fraktionschef Ralf Holzschuher am Dienstag nach der Sitzung. Auch für einen Rückzug Speers aus der Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur sehe man keinen Grund. Doch bei den Genossen rumort es, seitdem Speer jüngst öffentlich eingestand, für die uneheliche Tochter aus einer Beziehung mit einer Unterstellten 13 Jahre lang keinen Unterhalt gezahlt und jetzt staatliche Unterhaltszuschüsse an das Jugendamt zurückerstattet zu haben.
In der Sitzung gab es in Abwesenheit von Platzeck, der im Urlaub ist, erstmals massive Kritik an Speer. Nach PNN-Recherchen gingen etwa SPD-Vizeparteichefin Klara Geywitz, der Unterbezirkschef von Potsdam-Mittelmark Sören Kosanke, SPD-Politikerinnen wie Britta Stark, Elisabeth Alter, Barbara Hackenschmidt, aber auch Ex-Infrastrukturminister Reinold Dellmann und der Sozialpolitiker Andreas Kuhnert auf deutliche Distanz zum Ex-Minister, zu dessen scheibchenweisen Offenbarungen, ja zum gesamten Krisenmanagement, was SPD und Platzeck in die Bredouille bringt. Demonstrativ zu Speer bekannten sich dagegen etwa Sozialminister Günter Baaske, Generalsekretär Klaus Ness und dessen Frau, Vize-Fraktionschefin Martina-Gregor Ness sowie Wissenschaftsministerin Martina Münch.
Aus diesem Kreis heraus wiederum wurde der frühere parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Christoph Schulze, brüsk abgebügelt. Dieser hatte Speer mit Hinweisen auf den inzwischen publik gewordenen Email-Verkehr mit der Frau konfrontiert, den die Staatsanwaltschaft für echt hält. Diese ermittelt gegen beide wegen des Verdachts von uneidlichen Falschaussagen in einem Medienprozess. Diese Emails, nach denen die Frau jahrelang bei Speer vergeblich ein Bekenntnis zu seiner Tochter einforderte und um finanzielle Hilfe bat, in denen offen von Sozialbetrug und Daten seiner Verjährung die Rede ist, stehen im Widerspruch zu den Aussagen von Speer. In der Fraktion habe er sich eher als Opfer der Frau dargestellt, die ihm das eingebrockt habe, so ein Teilnehmer.
Speer will angeblich nicht gewusst haben, dass er der Vater der Kindes war. Er hatte aber der Frau, wie er eingestand, ab und zu Geld zu kommen lassen. Wie SPD-Fraktionschef Holzschuher sagte, habe Speer eingestanden, dass er die Vaterschaft vor Jahren hätte klären müssen. Er habe auch „in für ihn ungewohnter Offenheit“ erklärt, dass er sich bei der Verbeamtung der Unterstellten – der Antrag trägt seine Unterschrift als Staatskanzleichef – für befangen hätte erklären müssen. Das Verhalten Speers, so Holzschuher unmissverständlich, entspreche „weder dem Frauen-, noch dem Männerbild der SPD“. Man müsse auch die Verdienste Speers für den Aufbau der Brandenburger SPD sehen. Auf die Frage, ob Speer noch das Vertrauen der Fraktion und ihres Vorsitzenden genieße, antwortete Holzschuher so: „Es gibt Menschen, für die man bedingungslos die Hand ins Feuer legen würde und man wird trotzdem enttäuscht.“ Im Fall Speer sagte Holzschuher weiter, „das nötige Vertrauen, in der Fraktion zu arbeiten, ist nicht zerstört“. Allerdings ist dem Fraktionschef wohl bewusst, dass in der Affäre weitere Minen hochgehen können. „Wenn mir Rainer Speer in die Augen schaut und sagt, dass nichts Wesentliches mehr kommen kann, dann ist das so.“ Unterdessen wächst auch beim Koalitionspartner die Unruhe, dass die SPD nach mehreren Wochen die Speer-Affäre immer noch nicht in den Griff bekommen hat. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser sagte: „Die Arbeit der Koalition ist belastet.“ Die SPD, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen müsse, sei „nicht zu beneiden“. Und die Opposition im Landtag drängt insbesondere weiter auf Aufklärung der Verbeamtung der Frau, um den Verdacht einer Begünstigung zu klären. CDU, FDP und Grüne haben beantragt, im Hauptausschuss die frühere Vorsitzende des Landespersonalausschusses zu hören, die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue, sowie zwei Staatskanzlei-Abteilungsleiter. Wenn dies nicht weiterbringe, wollen CDU und FDP die Personalie vor den Immobilien-Untersuchungsausschuss bringen. Die Grünen machen an dieser Stelle einen Schnitt. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel: „Wir wollen Immobiliengeschäfte aufklären und keinen Baby-Ausschuss.“
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