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Breitband aus einer Hand? Die Telekom darf fast ganz Brandenburg mit Glasfaser verkabeln. Dagegen gibt es Kritik.

© dpa

Brandenburg: Erneut Kritik an Fördermittelvergabe

Firmen reichen Beschwerde in Brüssel ein. Wirtschaftsminister soll Breitbandprojekt zugunsten der Telekom ausgeschrieben haben – der widerspricht

Von Matthias Matern

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Potsdam - Nach den Affären um die insolvente Solarfirma Odersun und die Luckenwalder Biotechnik-Firma Human Biosciences drohen Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) neue Unannehmlichkeiten in Sachen Fördermittelvergabe. Fünf Lausitzer Internetfirmen und der Branchenverband Fachverband Rundfunk- und BreitbandKommunikation (FRK) werfen Christoffers vor, die Ausschreibungen für sein Breitbandprojekt „Glasfaser 2020“ bewusst auf die Deutsche Telekom ausgerichtet und somit andere Anbieter entgegen europäischem Recht benachteiligt zu haben. Eine entsprechende Beschwerde bei der Europäischen Kommission wurde bereits eingereicht. Eine erste Stellungnahme wird in rund zwei Monaten erwartet. „Man hat den Eindruck, die Ausschreibung ist von einem beurlaubten Telekommitarbeiter gemacht worden“, sagte der FRK-Vorsitzende Heinz-Peter Labonte am Dienstag in Potsdam.

Christoffers, der erst vor Kurzem wegen umstrittener Fördergeldzahlungen in der Kritik stand, wies die Vorwürfe der Firmen und des Verbandes gestern postwendend zurück. „Ich weise darauf hin, dass die EU-Kommission das Entwicklungskonzept Glasfaser 2020 geprüft hat und gegen die darin enthaltene staatliche Beihilfe keine Einwände erhoben hat“, erklärte der Minister. Im Rahmen des europaweit durchgeführten Ausschreibungsverfahrens hätte es für Unternehmen die Möglichkeit gegeben, ein sogenanntes Rügeverfahren in die Wege zu leiten, wenn sich die kleinen und mittelständssichen Unternehmen durch die Vorgaben im Ausschreibungsverfahren diskriminiert fühlen, so Christoffers. „Dies ist nicht geschehen.“

Mit seinem ambitionierten Entwicklungskonzept will Christoffers endlich ein altes Versprechen der brandenburgischen Landesregierung einlösen. Nach leeren Versprechungen – nicht zuletzt der von Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) aus dem Jahr 2009 – und mehreren gescheiterten Anläufen will der Minister mithilfe euröpäischer Fördermittel bis spätestens 2020 das gesamte Land per Glasfaser mit schnellem Internet versorgen. Dafür wurde das Land in insgesamt fünf Planungsregionen aufgeteilt, die einzeln ausgeschrieben werden sollten. Insgesamt stehen 94 Millionen Euro Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) zur Verfügung. Bis auf ein Teillos im Landkreis Potsdam-Mittelmark hat die Telekom inzwischen überall den Zuschlag bekommen.

Bei ihrer Kritik am Wirtschaftsminister stützen sich die Firmen und der Verband unter anderem auf ein von ihnen beauftragtes Gutachten einer auf die Telekommunikationsbranche spezialisierten Berliner Kanzlei. Konkret wift Labonte, der selbst an zwei der vermeintlich benachteiligten Unternehmen zu je 50 Prozent beteiligt ist, Christoffers zum einen vor, bewusst so große Gebietslose gewählt zu haben, dass sie für mittelständische Firmen allein nicht zu meistern gewesen seien. Zum anderen soll die Investitionsbank des Landes (ILB) die Ausschreibung in seinem Auftrag so verfasst haben, dass die aus Labontes Sicht veraltete VDSL-Technologie der Telekom bevorzugt wird. Entsprechend sei die Zielvorgabe von „mindestens 50 Mbit/s“ (Megabit pro Sekunde) auf „bis zu 50 Mbit/s“ gesenkt worden. Aus diesen und anderen Gründen benachteilige die Ausschreibungs- und Vergabepraxis nicht nur kleine und mittelständische Unternehmen, sondern verstoße zudem gegen die Vorgaben in den Genehmigungen der EU-Kommission und gegen die Breitbandrichtlinien der EU, schlussfolgern die Anwälte der Kanzlei Müller, Müller, Rössner (MMR) in ihrem Gutachten. Unter anderem müsse die Ausschreibung laut EU technologieneutral und transparent formuliert sein.

Sollte die EU-Kommission tatsächlich die Vergabe der Fördermittel an die Telekom für nicht statthaft halten, könnte Brandenburg schlimmstenfalls gezwungen werden, die Efre-Mittel von der Telekom zurückzufordern. „Wir rechnen mit einer Entscheidung in rund zwölf Monaten“, sagte Anwalt Carl Christian Müller am Dienstag.Matthias Matern

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