Brandenburg: Erneut vier Tote auf der Todesstrecke
Schwerer Unfall auf der Autobahn nach Frankfurt (Oder) / A 12 gilt als gefährlichste in Brandenburg
Stand:
Frankfurt (Oder) - Schon wieder zerfetzte Körper unter Wolldecken; Rettungskräfte tragen Särge über den Asphalt. In der Nacht zum Freitag ist die Autobahn 12 in Richtung Polen ihrem Ruf als „Todesautobahn“ erneut gerecht geworden. Dieses Mal nahm die Heimreise fünf polnischer Gastarbeiter nahe Frankfurt (Oder) ein trauriges Ende. Ihr roter Kleintransporter raste an einem Stauende ungebremst in einen langsam fahrenden Lastwagen. Vier der Männer im Alter von 24 bis 43 Jahren sind tot, der Fahrer kam mit einem Schock davon. Politik und Polizei zeigen sich ratlos nach dem Unglück. Ein Patentrezept, die Gefahrenstrecke zu entschärfen, hat niemand.
Die Polen hatten bei Bonn gearbeitet. Vermutlich sei die Heimreise gleich nach Feierabend losgegangen, sagt Polizeisprecher Detlef Lüben. Der 22-Jährige Fahrer ist bis jetzt nicht vernehmungsfähig; es ist nicht ausgeschlossen, dass er übermüdet war. Nach elf relativ ruhigen Wochen hatten die Beamten im Schutzbereich Oder-Spree schon gehofft, dass es in diesem Jahr besser wird mit der A 12.
Auf den letzten Kilometern vor der Grenze kamen 2006 nach offiziellen Zahlen bei schweren Unfällen 13 Menschen ums Leben, mehr als doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. 662 Menschen starben nach Angaben des Statistischen Bundesamts 2005 bundesweit auf Autobahnen; in Brandenburg war die A 12 die gefährlichste Piste. „Meistens sind es Auffahrunfälle am Staueende“, sagt Lüben. Erst kurz vor Weihnachten war eine 63-Jährige in einen Lastwagen gefahren und gestorben, vier Wochen zuvor eine Mutter mit ihrem Kind.
Der Lkw-Stau vor der polnischen Grenze ist ein bekanntes Problem. Kilometerweit reihen sich täglich die Lastwagen auf dem rechten der beiden Fahrstreifen – an manchen Tagen bis Fürstenwalde, 25 Kilometer von der Grenze entfernt. „Die Grenzabfertigung ist zu langsam“, heißt es nun im Potsdamer Verkehrsministerium. „Wir können nicht noch mehr machen“, wehrt sich ein Bundespolizei-Sprecher in Frankfurt (Oder). Auf den drei Spuren für die Lkw-Ausreise werde rund um die Uhr gearbeitet.
Die Wirtschaft in der Region fordert schon lange einen sechsspurigen Ausbau der Autobahn; bislang hat sie nicht einmal durchgehend Standstreifen. Der Ausbau sei zwar „mittelfristig vorgesehen“, teilte das Bundesverkehrsministerium unlängst mit. Laut dem bis 2015 geltenden Bundesverkehrswegeplan gebe es aber keinen vordringlichen Bedarf. Dabei wächst der Verkehr nach Polizeiangaben seit Jahren enorm an. Mehr als acht Millionen Fahrzeuge zählten die Beamten 2006 auf der Strecke, eine Millionen mehr als im Jahr zuvor.
Von Herbst an soll nun eine moderne Stauwarnanlage für Sicherheit sorgen. Schon jetzt gibt es mobile Warnalagen. Der Erfolg sei gering, stellt Polizeisprecher Lüben fest. „Sie können so viel hupen und blinken, wie sie wollen - wer schläft, der schläft.“ Seit Mitte Juli gilt auf dem Abschnitt Tempo 80 - gebracht hat auch dies wenig. Bei Kontrollen zählte die Polizei in wenigen Stunden hunderte Raser.
Für die Bundespolizei ist deshalb auch nicht der Stau die häufigste Unfallursache, sondern es sind unvorsichtige und übermüdete Fahrer. Damit nicht bald wieder Särge über die A 12 getragen werden, gibt Richard Schild vom Bundesverkehrsministerium den bekannten Rat: „Runter vom Gas und genügend Abstand halten“.
Burkhard Fraune
Burkhard Fraune
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: