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Brandenburg: Ersatzfusion
CDU in Berlin und Brandenburg für gemeinsamen Parlamentsausschuss. Rot-Rot hält nicht viel davon
Stand:
Berlin - Kaum ist die CDU in Berlin aus der Regierungsverantwortung heraus und zurück auf den Oppositionsbänken, klappt es wieder mit der Zusammenarbeit mit den Parteifreunden in Brandenburg. Nach jahrelangem Stillstand fordern der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf, und sein Amtskollege im Brandenburger Landtag, Ingo Senftleben, 20 Jahre nach der gescheiterten Länderfusion eine verstärkte Zusammenarbeit beider Landesparlamente.
Künftig soll es nach dem Willen der beiden CDU-Fraktionen in Berlin und Potsdam einen gemeinsamen ständigen Ausschuss geben, der regelmäßig tagt. Senftleben sagte die regionale Verbundenheit zwischen Berlinern und Brandenburgern sei einmalig in Deutschland. Die Entwicklung und die Zukunft beider Bundesländer seien eng miteinander verbunden. „Wir dürfen nicht nur übereinander reden, sondern müssen noch mehr miteinander sprechen“, sagte Senftleben. Für den steten Austausch wäre ein gemeinsamer Ausschuss ideal. „Es gibt viele Themen, bei denen wir unsere Zusammenarbeit intensivieren müssen, um erfolgreich zu sein. Gemeinsam sind wir stärker“, erklärte Senftleben. „Was den einen beschäftigt, kann dem anderen daher nicht egal sein.“
In einem gemeinsamen Positionspapier beklagen Senftleben und Graf, dass die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg zwar eine hohe Intensität erreicht habe, aber seit der gescheiterten Fusion kaum vorangekommen sei. Zwar gebe es durch 29 Staatsverträge und 30 gemeinsame Einrichtungen eine enge organisatorische Verflechtung, dennoch habe sich das Verständnis von Berlinern und Brandenburgern füreinander kaum verändert. Daher sei es an der Zeit für einen neuen Impuls für die gemeinsame Perspektive als Hauptstadtregion und für ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ausdrücklich betonen Senftleben und Graf in dem sechsseitigen Papier, dass es „nicht um einen weiteren Anlauf zur Fusion“ geht, sondern „um Kooperation zweier Partner auf Augenhöhe, die auch auf der Ebene der Volksvertretungen die Gemeinsamkeiten dokumentiert“.
Der neue Ausschuss soll sich nach dem Willen der CDU etwa mit der Novelle des gemeinsamen Leitbilds für die Hauptstadtregion aus dem Jahr 2006 und der gemeinsamen Landesplanung befassen. Weitere Themen sollen der gemeinsame Landessender rbb, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, aber auch der gemeinsame Flughafen BER in Schönefeld, der Nah- und Regionalverkehr im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und der Straßenbau sein. Angesichts der wachsenden Terrorgefahr soll das neue Gremium auch ein neues Sicherheitskonzept für die gesamte Hauptstadtregion erarbeiten und die gemeinsame Kriminalitätsbekämpfung über die bereits bestehende Gemeinsame Ermittlungsgruppe (GEG), die Einbrecherbanden verfolgt, vorantreiben. Auch bei der Bildung will die CDU die schon bestehende Zusammenarbeit intensivieren, etwa mit einer abgestimmten Bedarfsplanung für Lehrer, gemeinsamer Ausbildung von Lehrern und einer Rückkehr zum komplett einheitlichen Abitur. Besonders beim Lehrernachwuchs sollen sich beide Bundesländer nicht mehr durch unterschiedliche Entlohnung und Anstellungsmodelle – Berlin mit Angestellten, in Brandenburg Verbeamtung – Konkurrenz machen.
Graf sagte, Berlin und Brandenburg müssten an die bisherigen Erfolge anschließen. Ein gemeinsamer Ausschuss sei die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Region aus zwei eng verbundenen Bundesländer. „Wir wollen schnellere und bessere Abstimmungsprozesse bei gemeinsamen Projekten erzielen“, sagte Graf. „Berlin und Brandenburg sind mehr als nur Nachbarn. Auch ohne eine Fusion können wir erhebliche Potenziale heben“, sagte Graf.
Senftleben und Graf wollen nun in beiden Landesparlamenten eine breite Unterstützung für einen solchen Ausschuss organisieren. Allerdings gibt es auch rechtliche Hürden. Denn verfassungsrechtlich sei ein gemeinsamer Ausschuss gar nicht möglich, hieß es. Daher schlagen die Christdemokraten vor, dass Abgeordnetenhaus und Landtag jeweils einen Ausschuss mit identischem Auftrag einsetzen. Beide Ausschüsse sollten dann mit gemeinsamer Geschäftsordnung abwechselnd in Potsdam und Berlin tagen. Als Beispiel für eine solche Zusammenarbeit führen Senftleben und Graf Schleswig-Holstein und Hamburg an, die bereits einen ähnlichen Weg beschritten hätten.
Die rot-rote Regierungskoalition in Brandenburg reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß. Björn Lüttmann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, nannte den CDU-Vorstoß „überflüssig und nicht durchdacht“. Die Zusammenarbeit sei bereits so eng wie sonst nirgends. Es gebe gemeinsame Verträge, Institutionen, Behörden und öffentliche Unternehmen. Seit Mitte September befinde sich der neue Landesentwicklungsplan für die Hauptstadtregion im Beteiligungsverfahren. „Die Zusammenarbeit funktioniert und wird beständig enger“, sagte Lüttmann. Der von der CDU vorgeschlagene Ausschuss dagegen würde nicht funktionieren, diese „Art Super-Ausschuss für Kooperation“ wäre „ein künstliches Gebilde“, „das die Realitäten nicht berücksichtigt“. Für Fachfragen seien die Fachausschüsse beider Parlamente zuständig. Und gerade beim VBB und Nahverkehr seien die kreisfreien Städte und Landkreise beteiligt, dies würde durch die Einmischung des Landes infrage gestellt.
Brandenburgs Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers reagierte offener, aber dennoch skeptisch auf den CDU-Vorstoß. Bemerkenswert sei, dass der Vorschlag ausgerechnet komme, als die CDU in Berlin abgewählt worden sei. Christoffers plädierte dafür, die Bildung des neuen rot-rot-grünen Senats in Berlin abzuwarten. Zwar könne man den Vorschlag zu gegebener Zeit prüfen und diskutieren. Aber eine solche Zusammenarbeit sei heute schon möglich und habe es bereits gegeben, etwa durch gemeinsame Sitzungen der Hauptausschüsse.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel begrüßte den Vorstoß der Union. Bislang gebe es bei den gemeinsamen Institutionen und Behörden demokratische Defizite. „Alles untersteht nur der exekutiven Kontrolle, aber nicht der legislativen Kontrolle“, sagte Vogel. Ein gemeinsamer Ausschuss wäre daher „eine Inkraftsetzung demokratischer Prinzipien bei gemeinsamen Landeseinrichtungen“, sagte Vogel. Mit dem Ausschuss würden auch nicht die Fachausschüsse entmachtet. Im Gegensatz zur CDU sieht Vogel in dem Ausschuss auch einen Hebel für ein Zusammengehen beider Länder. „Der Ausschuss wäre eine Bereicherung. Irgendwann muss man auch die Debatte über eine Fusion wieder eröffnen. Der Ausschuss wäre ein Instrument, der es erleichtern könnte, dahin zu kommen“, sage Vogel.
nbsp;Alexander Fröhlich
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