Brandenburg: Erst die Liebe, dann der Drogentest
Nach dem „Zug der Liebe“ kontrollierte in Brandenburg die Polizei
Stand:
Berlin/Oranienburg - Erst mit dem „Zug der Liebe“ in Berlin gefeiert und dann auf dem Heimweg von der Brandenburger Polizei kontrolliert: 60 Beamte haben am Sonntagmorgen ab 4 Uhr an der Autobahn 111 auf einem Parkplatz nahe dem Rastplatz Stolpe insgesamt rund 440 Fahrzeuge kontrolliert. 44 Beanstandungen mussten registriert werden, wie der Sprecher der Polizeidirektion Nord, Stefan Rannefeld, sagte. Unterstützt wurde Brandenburgs Polizei von sechs Beamten aus Berlin. Diese wiesen ihre Brandenburger Kollegen in einen Urin-Schnelltest für Drogen ein, der in Berlin bereits seit mehreren Jahren genutzt wird. „Ziel ist es auch, diesen in Brandenburg einzuführen“, sagte Rannefeld. Auch Drogenspürhunde wurden eingesetzt.
Bei 21 Fahrern wurden Alkohol oder Drogen festgestellt, in 17 Fällen wurden Blutproben angeordnet. In sieben Fällen wurden zusätzlich Betäubungsmittel aufgefunden. Ein 21-Jähriger aus Berlin pustete vor Ort 1,9 Promille ins Atemtestgerät, bei einem 32-Jährigen aus dem Landkreis Oberhavel waren es 1,56 Promille. Bei einer Stewardess aus Hamburg zeigte das Atemtestgerät 0,89 Promille an. Die Frau hatte es eilig, den Beamten erklärte sie, noch Sonntag einen Flug begleiten zu müssen. Ein 45-Jähriger aus Oberhavel versuchte vor den Augen der Beamten, ein szenetypisches Drogentütchen zu verstecken, er wurde getestet: Bei ihm waren 0,69 Promille Alkohol in der Atemluft, zudem hatte er Kokain genommen.
Die Beamten erfassten außerdem Verstöße gegen das Waffengesetz oder das Aufenthaltsgesetz. Zudem waren 44 Fahrer mit ihren Autos zu schnell unterwegs. Bei einem wurden 79 Stundenkilometer statt erlaubter 40 gemessen. Fünf Personen mussten ihren Führerschein gleich abgeben. Ihre Autos blieben zunächst stehen. Die Fahrzeuge wurden vom Abschleppdienst abgeholt oder von fahrtüchtigen Mitfahrern weggefahren. Sichergestellt wurden Marihuana, mehrere Briefchen mit Amphetaminen und weißem Pulver. Gefunden wurden auch einige Geräte zum Konsum.
Mehr als 25 000 Teilnehmer hatte die Berliner Polizei am Samstag beim „Zug der Liebe“ in Berlin gezählt. Veranstalter Jens Schwan sprach am Sonntag von einem „vollen Erfolg“ – auch wenn die Schätzung der Polizei konservativ gewesen sei. Die Straßenparty mit elektronischer Musik war als politische Demonstration mit 15 000 Teilnehmern angemeldet worden. „Mehr Mitgefühl, mehr Nächstenliebe und soziales Engagement“ waren die zentralen Anliegen der Organisatoren.
Der Umzug mit 15 bunten Wagen von Vereinen, Clubs und Partyveranstaltern führte rund sechs Stunden lang von Friedrichshain durch mehrere Bezirke. Laut Polizei blieb es friedlich. Nur vereinzelt wurden Anzeigen etwa wegen Körperverletzung oder Beleidigung geschrieben.
Jeder Wagen stand für ein politisches Anliegen, aus jedem schallte laute Tanzmusik. Die Feiernden waren aufgerufen, jeweils dem Wagen zu folgen, der ihren politischen Interessen entsprach. Mal ging es um einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen, mal um den Erhalt von Grünflächen. Oft war es aber eher die Musik, die bei der Entscheidung für eines der zum Teil bunt geschmückten Gefährte den Ausschlag gab. Manche der Feierwütigen waren bunt kostümiert, einige nur spärlich bekleidet. T-Shirts oder Schilder mit politischen Botschaften waren Mangelware. Auch Veranstalter Schwan hätte sich nach eigenen Angaben mehr Transparente gewünscht.
Es gehe darum, ein Zeichen für die Liebe zu setzen, sagten die Organisatoren bei der Auftaktkundgebung am Nachmittag in der Petersburger Straße. Als Neuauflage der Loveparade wollten sie ihre Veranstaltung nicht verstanden wissen. Sponsoring und Werbung waren tabu. Das Unglück bei der Loveparade in Duisburg, als 21 Menschen bei einer Massenpanik starben, hatte sich am Freitag zum fünften Mal gejährt.
Für viele Teilnehmer war der Unterschied zur früher regelmäßig in Berlin stattfindenden Loveparade oder einem anderen großen Rave allerdings kaum merkbar. Er sei vor allem zum Feiern gekommen, „aber ich finde es nicht schlecht, dass es unkommerzieller ist“, sagte Martin aus Leipzig. Er habe 1997 seine erste Loveparade besucht und sei nun mit Freunden aus Frankreich zum „Zug der Liebe“ gekommen. Für ihn sei das gemeinsame Feiern wirkliche Liebe. Neben Martin hielt eine Französin ein Schild in der Form einer Sprechblase. Darauf stand: „Wahre Freude ist eine ernste Sache“. dpa, axf
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: