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Brandenburg: „Es wird immer schwerer, Tagebaue zu rechtfertigen“ Rechtsanwalt Dirk Teßmer im Interview über den Braunkohleplan Welzow-Süd II

Herr Teßmer, Sie vertreten Betriebe und die Landtagsfraktion der Grünen, die den Tagebau Welzow-Süd Teilfeld II verhindern wollen. Die gemeinsame Landesplanungbehörde Berlin-Brandenburg hat jetzt angekündigt, den Braunkohleplan noch einmal zu überarbeiten, von grundsätzlichen Änderungen ist die Rede.

Stand:

Herr Teßmer, Sie vertreten Betriebe und die Landtagsfraktion der Grünen, die den Tagebau Welzow-Süd Teilfeld II verhindern wollen. Die gemeinsame Landesplanungbehörde Berlin-Brandenburg hat jetzt angekündigt, den Braunkohleplan noch einmal zu überarbeiten, von grundsätzlichen Änderungen ist die Rede. Auch eine erneute Anhörung soll es geben. Was hat das zu bedeuten?

Zunächst heißt das, dass sich meine Mandanten mit ihren Einwänden voll durchgesetzt haben, denn die Landesplanungsbehörde hat wohl eingesehen, dass ihre Planung keine tragfähige Grundlage darstellt. Es gibt zuhauf ungelöste Probleme. Insbesondere ist ungeklärt, ob eine Umsiedlung von Proschim, aber auch der Gewerbebetriebe und der Agrargesellschaft überhaupt möglich wäre. Neben der Umsiedlungsplanung fehlt auch die Sozialverträglichkeitsfeststellung. Eine Lösung dieser Problematik aber ist die essenzielle Voraussetzung für eine Fortführung der Braunkohlenplanung.

Aber bei jedem anderen Planverfahren muss so etwas doch berücksichtigt werden. Was genau ist denn jetzt schiefgegangen?

Es war die erste Anhörung für ein Braunkohleplanverfahren in Brandenburg. Und das auch nur, weil auch Sachsen betroffen ist, wo Anhörungen gesetzlich vorgeschrieben sind. Dass keine Flächen für die Umsiedlung und den Betriebsverlust gesucht wurden, finde ich ein Unding. Die Behörde hat offenbar keine Vorstellungen davon, was den Menschen mit einer solchen Planung angetan wird. Es kann nicht weiter nach dem Motto vorgegangen werden, dass die Umsiedlungsproblematik sich zwangsläufig schon irgendwie lösen lassen werde, wenn die Abbauplanung erst einmal aufgestellt ist. Für Proschim und die Betroffenen hat das Land gegenwärtig noch keine Lösung im Angebot. Es fehlt bereits an den erforderlichen Analysen, was zur Kompensation eines etwaigen Eingriffs in die Ortslage getan werden muss. Es kann doch den Proschimern nicht zugemutet werden, ihr gesamtes Leben neu zu justieren. Bei den Gewerbebetrieben muss geprüft werden, ob es am neuen Standort überhaupt eine Grundlage zum Überleben gibt. Man muss also schlicht abschätzen, ob es vertretbar, ob es verantwortbar ist, einen Braunkohlentagebau Welzow-Süd II betreiben zu lassen. Das aber ist bislang nicht ansatzweise darstellbar.

Erleben wir also gerade den Anfang vom Ende für die Braunkohlepolitik in Brandenburg und für neue Tagebaue?

Es ist erst einmal ein wichtiger erster Erfolg. Ich bin der Überzeugung, dass es dem Widerstand gegen neue Tagebaue Auftrieb geben und einen Katalysatorfaktor haben wird. Hoffentlich hat die Einsicht Einkehr gehalten, dass man mit den Menschen so nicht umgehen kann, nur für den Hauptzweck, Braunkohle abzubauen. Meiner Meinung nach sind solche Eingriffe in die Lebensumstände der Menschen und der Umwelt mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Es gibt auch einen Wandel in den Verfahren: Der Widerstand spiegelt sich in der Gesellschaft und in den Köpfen, in den Behörden und Gerichten wider. Wir sind auf einem Weg, der dazu führen wird, dass es das Teilfeld zwei des Tagebaus Welzow Süd nicht geben wird.

Soll heißen: Je größer der Widerstand, desto größer die Chancen, neue Tagebaue zu verhindern? In Horno, dem berühmtesten abgebaggerten Dorf in Brandenburg, hat das nicht geklappt.

Es wird im gegenwärtigen gesellschaftlichen, energiewirtschaftlichen und klimapolitischen Umfeld immer schwerer, neue Tagebaue mit dem Gemeinwohlinteresse zu rechtfertigen, zumal der Braunkohlestrom für die Versorgungssituation nachweislich nicht mehr nötig ist. Früher hat sich niemand bei den Planungen Gedanken um die Grundrechte gemacht. Damals galt, dass der Bergbau erforderlich ist und Strom aus Kohle notwendig. Das ist verschwunden. Jetzt geht es darum, welchen Preis man dafür bezahlen muss. Allein mit dem überwiegenden öffentlichen Interesse lassen sich Tagebaue auch nicht mehr begründen, denn dem grundlegenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das wir im Falle Garzweiler erreichen konnten, steht auch fest, dass die Rechte der Betroffenen zu diesem öffentlichen Interesse gehören. Und wenn der Widerstand stark genug ist, wird der Bagger nicht kommen.

Um welche Grundrechte geht es?

Um das Recht auf Grundeigentum, um Freizügigkeit, dass man bleiben kann, wo man wohnt, Berufsfreiheit für die Unternehmer vor Ort, aber auch auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Wir erleben gegenwärtig die letzten dieser Verfahren. Ich habe den festen Glauben, dass es für die Betroffenen gut ausgehen wird. Und das liegt auch an der schwindenden Bedeutung der Braunkohle.

Gespräch: Alexander Fröhlich

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