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Brandenburg: „Es wird keine Salzheringe geben“

Am Donnerstag ist Grundsteinlegung für die Spreewald Therme in Burg /Angebot für „Otto-Normal-Verbraucher“

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Am Donnerstag ist Grundsteinlegung für die Spreewald Therme in Burg /Angebot für „Otto-Normal-Verbraucher“ Von Heidi Jäger Burg. Für die umstrittene Spreewald Therme in Burg wird am Donnerstag der Grundstein gelegt. Zehn Millionen Euro Fördergelder des Landes fließen in dieses ehrgeizige Projekt. Allerdings befürchtet das benachbarte Lübbenau nun für sein Spaßbad Konkurrenz. Umweltvereine und Politiker der Grünen warnten zudem, dass die in die Spree geleiteten Sole-Abwässer zu „Salzheringen" führen könnten. Der Pressesprecher des Amtes Burg Spreewald, Christoph Neumann, stellt sich dieser Befürchtung entgegen. „Das Abwasser wird vorgereinigt und führt zu keiner zusätzlichen Belastung. Wir sitzen hier schließlich auf einem Naturast, den wir uns nicht selber absägen." Bei seiner Aussage stütze er sich auch auf ein Gutachten des Landes. Eine Konkurrenz zu Lübbenau sieht Neumann ebenfalls nicht. „Die Therme in Burg ist auf Wellness und Gesundheit ausgerichtet und keineswegs auf Spaß und Tollerei." Vielmehr ergänze die im kommenden Jahr eröffnende Burger Therme die Angebote der Rehaklinik des Ortes. Das ebenfalls auf Wellness setzende „Hotel zur Bleiche" in Burg ordnete Neumann indes in eine andere Preiskategorie ein. „Das Thermalbad der Stadt soll ein Angebot auch für den ,Otto-Normal-Verbraucher'' sein." Das Rennen um die Gestaltung des Bades hat der Stuttgarter Architekt Ernst Ulrich Tillmanns für sich entschieden. Er übertrug die durch Fließe gekennzeichnete Großparzellenlandschaft des Spreewaldes in die Gebäudestruktur. „Es ist kein durchgehender Bau, sondern ein aus mehreren Elementen bestehender. Die Ansicht ist durchbrochen. Zu verwendendes Reet, Ziegelmauerwerk und Holz wird Wärme ausstrahlen." Dabei soll nicht nur „glänzend neues, sondern von der Zeit gezeichnetes Material" eingesetzt werden", so Prof. Seifert, Vorsitzender des Preisgerichtes. Für ihn sei klar: „Diese Architektur ist nicht auswechselbar. Das gibt es nur hier und sonst nirgends!" Für das Amt Burg ist die von Schweizer Investoren gebaute Therme vor allem deshalb so wichtig, um ganzjährig mit touristischen Angeboten aufwarten zu können. Bislang klingt Ende Oktober die Saison aus und beginnt erst wieder im Frühjahr. Um den Tourismus weiter anzukurbeln, etablierte inzwischen ein Verein auch den Spreewaldmarathon, der Mitte April zum zweiten Mal stattfand und rund 3700 aktive Teilnehmer sowie deren Familien und Gäste anzog und den Hotels und Pensionen volle Häuser bescherte. „Viele hängen nach diesem sportlichen Ereignis, bei dem auch geskatet, gewalkt und geradelt werden kann, gleich noch ein paar Tage Urlaub ran", so der erfolgreiche Marketingschachzug von Christoph Neumann, selbst eifriger Marathonläufer. Hauptattraktion des staatlich anerkannten Erholungsortes, der nunmehr auch um den Status „Kurort" buhlt, ist und bleibt aber das Kahnfahren durch die von hunderten Fließen durchzogene Wald- und Wiesenlandschaft. Der hölzerne Kahn, auf dem der Spreewälder schon vor Jahrhunderten seine Gurken transportierte, ist inzwischen mehr zum Ort der Märchen und Sagen geworden. Denn während sich der Besucher gemächlich durchs Wasser staken lässt, bekommt er so manche Anekdote von den wortbeflissenen Bootsführern zu hören. Immer wieder ranken sich die Erzählungen um den Schlangenkönig. Denn mit ihm muss man sich gut stellen. Schließlich gilt er als Schutzpatron der Region, der die Feuer von den Häusern fern hält. Nicht von ungefähr werden auch heute neu gebaute Eigenheime von zwei Schlangenköpfen bekrönt. Ursache für den guten Leumund der Schlange: Als Untermieter hielt sie den Spreewald-Bauern das Ungeziefer vom Hals. Schließlich setzten die Bauherren ihre Bohlenhäuser auf Feldsteinen, um nach einem Hochwasser schnell wieder trockene Füße zu bekommen. In den Räumen zwischen den Steinen nisteten sich die Schlangen ein, und gingen von dort aus emsig auf Beutezug. Eine erfreuliche Symbiose von Mensch und Tier. Die Region steht zu ihren Traditionen. Auch die Zersiedelung der Landschaft – eine atypische Erscheinung im Brandenburgischen – wird hier per Bauordnung festgeschrieben. Nicht immer zur Freude der Bewohner, denn Bauland ist rar und Veränderungen auch an den 650 Gehöften im Außenbereich nur mit Denkmalpflegern im Nacken möglich. Doch als UNESCO-Schutzgebiet gilt es, mitunter auch unliebsame Entscheidung zu treffen. Und auch die Ortsschilder künden von einer Besonderheit der Region, die auf eine lange, sehr wechselvolle Geschichte zurück schaut: auf die der Sorben. Diese reduziert sich heute nicht nur auf das Bemalen von Ostereiern und das Tragen der Trachten. Vor allem gilt es, die Sprache am Leben zu erhalten und das kostet Geld und die Unterstützung der Mehrheitsbevölkerung. Eine nach der Wende gegründete Stiftung für das sorbische Volk war anfangs mit 42 Millionen Mark bestückt, heute verfügt sie allerdings nur noch über 16 Millionen Euro, und eine weitere Kürzung durch das Land ist avisiert. „Mittlerweile ist die Substanz gefährdet", so Anna Kossatz, die Beauftragte für sorbische und wendische Angelegenheiten beim Büro des Oberbürgermeisters in Cottbus. Von den Kürzungen betroffen seien das sorbische Institut, das deutsch-sorbische Theater, die Museen und vor allem die Domowina, der Dachverband der Sorben, der die 20 000 Nieder- und 40 000 Obersorben vertritt. Heimat- und Trachtenfest im August Besonders am Herzen liegen der jungen Frau aber die Kindergärten „Witaj" (Willkommen), in denen der Nachwuchs bilingual aufwächst und die Sprache der Großeltern wieder belebt. Auch in Burg wird bereits über „Witaj" nachgedacht. Wenn am letzten Augustwochenende zum großen Heimat- und Trachtenfest nach Burg geladen wird, können also schon ganz zarte Stimmchen in ihrer slawischen Muttersprache die Gäste willkommen heißen. Der Spreewald ist international geworden, aber noch immer ein Reiseziel für Freunde der leisen Töne: der sanften Niederungen, der ruhigen Gewässer und des lieblichen Vogelgezwitschers. Die Therme soll sich in dieses Piano einreihen – das jedenfalls versprechen die Gutachter und hoffen die Burger.

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