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Kronzeuge im Prozess: Ex-Bandido belastet alte Rocker-Brüder schwer

Drei Klubmitglieder sollen von 2009 bis 2012 mit Drogen gehandelt haben. Ein Aussteiger packte im Sommer aus, jetzt ist der Kronzeuge für das LKA der beste Beleg gegen ein von CDU und SPD geplantes Aussteigerprogramm.

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Berlin /Potsdam – Dieser Prozess vor dem Berliner Landgericht ist für die Ermittler in Berlin und Brandenburg das beste Argument gegen ein Aussteigerprogramm für Mitglieder krimineller Rockerbanden, wie es die Politik ins Spiel gebracht hat. Daniel N. war Vize-Chef der Bandidos Del Este in Hennigsdorf (Oberhavel), doch dann stieg er aus, bekam es mit der Angst vor seinen früheren Rockerbrüdern zu tun und wurde für die Ermittler der wichtigste Zeuge gegen die Drogengeschäfte seines Ex-Klubs: Im Juni 2012 zerschlug die Polizei mit einer Großrazzia den Drogenhändlerring, die Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9 stürmte den Hennigsdorfer Klub, gefunden wurden Waffen und Drogen. Am Donnerstag sagte Daniel N. als Kronzeuge gegen drei seiner früheren Rockerbrüder aus und belastete sie schwer.

Demnach sollen die drei 29 bis 36 Jahre alten Angeklagten von Ende Mai 2009 bis Mai 2012 mit Amphetaminen gehandelt haben. Laut Anklage soll das Trio sechs Kilogramm der Droge Ende 2009 in Berlin angeschafft und im Kreis Oberhavel verkauft haben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf bandenmäßigen Drogenhandel.

Daniel N. kam streng bewacht von Personenschützern ins Gericht. Schon bei seinem ersten Auftritt zu Wochenbeginn trug er eine Perücke, um sein aktuelles Erscheinungsbild zu verschleiern. Er lebt heute im Rahmen des Zeugenschutzprogramms unter anderer Identität.

Der Ex-Rocker hatte wieder ein bürgerliches Leben führen wollen und war deshalb bei den Bandidos ausgestiegen, zwar in Frieden, was ihn vor Übergriffen schützte. Doch die Rocker verlangten noch einen Jahresbeitrag von mehr als 2000 Euro. Im Jahr 2011 wuchs bei dem junger Vater die Furcht um seine Familie. Als früherer Vize-Chef wusste er, zu was die Rocker fähig sind. Er wollte Kontakt zur Polizei aufnehmen. Dabei hatten ihn die Ermittler schon im Blick. Grund war der Hinweis eines anderen Aussteigers. Daniel N. packte im Sommer 2011 aus.

Der Ex-Bandido ist also das Paradebeispiel für die Rocker-Spezialisten bei den Landeskriminalämtern in Brandenburg und Berlin gegen ein Aussteigerprogramm. Ein solches haben wie berichtet SPD und CDU am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses vorgeschlagen. Bei der Polizei ist von Schaumschlägerei die Rede, auch die Chef-Ermittler in Berlin und Brandenburg sind dagegen. Aus ihrer Sicht kann ein Aussteigerprogramm, wie es sie für Rechtsextremisten gibt, nicht funktioniere, weil die Rockerklubs nicht politische-ideologisch, sondern nur kriminell sind. Zudem würde ein solches Programm die Banden anerkennen. Daher setzt die Polizei lieber auf individuelle Ausstiege und die persönliche Ansprache von bekannten Rockern. Damit werden die Klubs selbst verunsichert und die Führungsansprüche der Chefs untergraben. Diese Strategie hat Erfolg: Seit Mitte 2012, nach Verboten, Auflösungen und Übertritten verschiedener Klubs, gab es mehrere Aussteiger bei den Bandidos. Die Ausbeute: 60 Verfahren laufen wegen des Waffen- und Drogenbesitzes.

Im aktuellen Prozess belastete der Kronzeuge seien Ex-Brüder schwer. Hauptangeklagter ist der in Hennigsdorf lebende 36-jährige Rocker Stefan I., der zuletzt „Sergeant at Arms“ war, zuständig für die Disziplin im Klub. Der Kern des Klubs habe gewusst, dass er mit Drogen handelte, so der Kronzeuge.

Zudem lassen die Aussagen von Daniel N. auf undichte Stellen bei der Polizei schließen. Der Hauptangeklagte sei immer vorsichtig gewesen. Deshalb hätten sie ihre Handys im Club zurückgelassen, wenn sie unterwegs waren. Zuvor hätten sie Akkus und SIM-Karten entfernt. Aufgrund ihrer „Kontakte zur Polizei“ hätten sie Unterlagen über Telefonüberwachungen gehabt. Bekannt ist, dass der Chef des Hennigsdorfer Rockerklubs, Thorsten S., in den 90er Jahren Polizist war und wegen eines Raubüberfalls verurteilt wurde. Alexander Fröhlich (mit dapd)

Alexander Fröhlich (mit dapd)

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