
© Matthias Matern
Brandenburg: Ex-Landrat soll 12 000 Euro zahlen
Konzertkarten und Essen mit SPD-Genossen: Teltow-Fläming erwägt Schadenersatzforderung an Giesecke
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Luckenwalde/Potsdam - Die Korruptionsaffäre um den einstigen Teltow-Fläming-Landrat Peer Giesecke (SPD) schlägt auch Jahre nach dessen Verurteilung Wellen. Nun könnte der Kreis Schadenersatz von Giesecke, der immer noch Beamter ist, fordern. Am Montagabend soll der Kreistag als Dienstvorgesetzter in nicht-öffentlicher Sitzung darüber befinden. Es geht um exakt 12 105,63 Euro. Eine entsprechende Beschlussempfehlung hat der Kreistagsvorsitzende Gerhard Kalinka (Grüne) nach Rückversicherung beim Innenministerium des Landes vorgelegt.
Demnach ließ es sich Giesecke – einst einer der bekanntesten, erfolgreichsten Landräte Brandenburgs, der Teltow-Fläming zur Boom-Region machte, in der Landes-SPD Gewicht hatte – auf Kosten des Landkreises gut gehen. So zahlte er als kommunaler Wahlbeamter mit seiner Dienst-Kreditkarte auf Rechnung des Kreises für private Vergnügen. Darunter sind etwa Karten für ein Elton-John-Konzert im Dezember 2008 für 457 Euro oder Software zur Fotobearbeitung für 389 Euro. Das alles waren rein „private Zwecke“, „ohne dass hierfür eine dienstliche Notwendigkeit bestand“, wie der Kreistag unter Berufung auf den rechtskräftigen und unwidersprochenen Strafbefehl des Amtsgerichts Potsdam aus dem Jahr 2012 und auf die Disziplinarverfügung des Innenministeriums feststellt.
Zwischen 2007 und 2011 bewirtete Giesecke in Restaurants 39-mal auf Kosten des Kreises seine Familienmitglieder, Freunde oder Parteigenossen, „ohne dass dies dienstlich veranlasst war“ oder er dies „in seiner Funktion als Repräsentant des Landkreises vorgenommen“ habe. Für die Restaurantbesuche auf Kosten des Landkreises kommen 3163 Euro zusammen. Darunter sind etwa mehrere Essen mit Genossen des SPD-Ortsvereins Zossen in Höhe von 681 Euro. Auch nach Sitzungen des SPD-Unterbezirks oder nach Unterbezirksparteitagen war Giesecke als Landrat freigiebig. Für Essen in illustrer Runde zahlte er aus dem Budget des Landratsamtes 788,95 Euro. Teilgenommen haben auch „15 Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion“, wie in der Beschlussvorlage des Kreistags vermerkt ist.
Zudem soll Giesecke, so haben es Staatsanwaltschaft und Innenministerium festgestellt, aus der Kreiskasse 1250 Euro für eine private Trauerfeier und 3434 Euro für private Traueranzeigen gezahlt haben. Mit 3411,66 Euro aus einem Fonds für die Beziehungen mit den polnischen Partnerlandkreis Gniezno schaffte Giesecke zwei Computer, Dutzende Paar Schuhe sowie Herren- und Damenshirts für die Produktionsschule Ludwigsfelde an, wo Jugendliche und Schulverweigerer auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet werden. Die Produktionsschule gehört zum Evangelischen Jugendwerk Teltow-Fläming. Deren Geschäftsführerin ist Gieseckes Ehefrau: Ria von Schrötter aus Zossen, für die SPD sitzt sie auch im Kreistag.
Giesecke war 2012 wegen Untreue und Vorteilsannahme zu zehn Monaten Haft, ausgesetzt zu drei Jahren Bewährung, und zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt worden, weil er von einem regionalen Baulöwen Reisen und Bewirtungen angenommen und diesem im Gegenzug Vorteile beim Abriss eines denkmalgeschützten Gehöfts verschafft hatte, wo der Unternehmer einen Supermarkt errichten wollte. Die von Giesecke gezahlte Summe wurde mit Steuerschulden für Privatfahrten mit dem Dienstwagen verrechnet.
Dennoch muss Giesecke nicht darben. Seit seiner Abwahl durch den Kreistag 2012 zahlt Teltow-Fläming Giesecke 75 Prozent seiner Landratsbezüge – und das bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Dezember 2017. Aktuell stehen Giesecke monatliche Bezüge von 6846,51 Euro zu – auf Kosten des Steuerzahlers und ohne Gegenleistung. Danach bezieht er dann Ruhegehalt. Schwere Einbußen musste er nicht hinnehmen, trotz der festgestellten Straftaten, trotz Verfehlungen und Amtsmissbrauch und obwohl er gegen seine Pflichten als Beamter verstoßen hat. Brandenburgs SPD-geführtes Innenministerium stellte zwar Dienstvergehen fest, ließ im Disziplinarverfahren gegen Giesecke aber besondere Milde walten. Trotz der herausgehobenen Position als Landrat hatte das Innenministerium in dem im Dezember 2015 ohne Konsequenzen eingestellten Verfahren nicht einmal die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und eine Aberkennung des Ruhegehalts ernsthaft in Erwägung gezogen. Nach dem Gesetz werden Beamte aus dem Beamtenverhältnis per se entfernt, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt werden. Das ist bei Giesecke nicht der Fall, er kommt dem aber sehr nahe. Die zehn Monate Freiheitsstrafe plus die Geldbuße in Höhe eines Monatsgehalts entsprechen elf Monaten Freiheitsstrafe.
Dabei hatte er als Landrat über die Grenzen von Teltow-Fläming durchaus Vorbildwirkung für die Beamtenschaft im ganzen Land. Dem Landrat in dem Landkreis stehen nach einer Wiederwahl – bei Giesecke im Jahr 2009 – Bezüge nach der Besoldungsstufe B7 zu. Das sind aktuell 9128,68 Euro. Selbst der Polizeipräsident des Landes oder Abteilungsleiter in den Ministerien sind zwei Stufen und knapp 1000 Euro darunter. Nur der Präsident des Landesrechnungshofes, Staatssekretäre und der Chef der Staatskanzlei beziehen höheren Sold, von Regierungsmitgliedern ganz abgesehen.
Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich die SPD-Fraktion im Kreistag zur „Geltendmachung eines beamtenrechtlichen Schadenersatzanspruches“ gegen Giesecke verhält. Sie ist mit 14 Mandaten die stärkste Fraktion im Kreistag, der 56 Sitze hat.
Viel Zeit bleibt jedenfalls nicht. Mitte August läuft nach Angaben des Kreisparlaments die Verjährungsfrist aus. Sollte der Kreistag die Rückforderung ablehnen, müsste Landrätin Kornelia Wehlan (Linke) dies beanstanden. Schließlich geht es um Geld des Landkreises. Und auch das Innenministerium sieht keinen Ermessensspielraum. Denn nach dem Gesetz müssen Beamte, „die vorsätzlich und grob fahrlässig“ ihre Pflichten verletzt haben, dem Dienstherrn, „den daraus entstehenden Schaden“ ersetzen.
nbsp;Alexander Fröhlich
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