Brandenburg: Ex-Rocker als Kronzeuge vor Gericht
Großes Polizeiaufgebot für 24-jährigen Aussteiger
Stand:
Berlin - Keine Lederkutten, keine martialischen Aufnäher. Nur einige Herren mit breiten Schultern saßen auf den Zuschauerbänken des Gerichtssaales. Sie schienen die vier Männer auf der Anklagebank zu kennen. Doch die tätowierten Besucher gingen bald. Die Polizeipräsenz war ihnen wohl zu stark: Streng bewacht sagte am Dienstag erstmals in Berlin ein früherer Rocker gegen einstige „Brüder“ aus.
In der Szene gilt ein striktes Schweigegebot gegenüber der Polizei. Doch Roman L. brach die Mauer des Schweigens. „Ich will mit der kriminellen Vergangenheit komplett abschließen.“ Er und die drei Mitangeklagten seien im Januar 2010 als Mitglieder des Bandido-Supporterclubs La Onda nach Marzahn gefahren und hätten ein Auto angezündet. Es war nach seinen Angaben ein Racheakt gegenüber den Hells Angels. „Es ging um Vergeltung“, für einen Angriff auf einen „Bruder“.
Aussteiger L. ist jetzt Kronzeuge. Er soll bei der Aufklärung des Brandanschlags und weiterer Taten geholfen haben. Es wird aufgrund seiner Aussagen demnächst noch einen zweiten Prozess geben, in dem sich weitere mutmaßlich kriminelle Rocker verantworten müssen. In dem laufenden Prozess kann L. damit rechnen, dass er im Gegenzug eine sehr milde Strafe erhält. Das Landgericht stellte in Aussicht, ihn schuldig zu sprechen und von Strafe weitgehend abzusehen.
In den letzten Monaten ist in der Rockerszene viel passiert: Gewalt eskalierte, Innensenator Henkel verbot im Mai eine wichtige Abteilung der Hells Angels. Eine „Task Force Rocker“ hat ihre Arbeit aufgenommen. Seit 2009 existiert die Kronzeugenregelung für jene, die sich aus dem Milieu lösen und zur Aufklärung von schweren Straftaten beitragen. Die Ankläger hoffen, dass ein Absehen von Strafe gegen L. als Signal in die Szene geht.
Der Kronzeuge ist wie die Mitangeklagten Konstantin S. (25) und Benno Sch. (22) vorbestraft. Es ging jeweils um milieutypische Auseinandersetzungen. Sie sind inhaftiert, haben sich inzwischen angeblich alle aus der Szene gelöst und legten kurze Geständnisse ab. Der Ex-Präsident des Klubs allerdings warf L. vor, er wolle sich „als Unschuldslamm hinstellen“, habe seinen Beitrag zur Zündelei runtergespielt. „Dabei hatte er alles geplant“, sagte der Ex-Präsident. Der Prozess geht heute weiter. Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: