Von Alexander Fröhlich: Ex-Stadtwerkechef belastet Neuruppiner Bürgermeister
Neuruppin - Holpriger Start im Untreue-Prozess gegen den früheren Chef der Neuruppiner Stadtwerke, Dietmar Lenz (52): Nach der Vertagung des Prozesses vor einer Woche wegen Zweifeln an der rechtmäßigen Besetzung der Wirtschaftskammer des Neuruppiner Land gerichts setzte die Verteidigung am gestrigen zweiten Prozesstag erneut auf Verzögerung – indem sie die Ablösung eines Staatsanwalts wegen Befangenheit beantragte. Die Anträge scheiterten sämtlich, schließlich konnte die Anklageschrift doch noch verlesen werden, und die hatte es sich in sich.
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Neuruppin - Holpriger Start im Untreue-Prozess gegen den früheren Chef der Neuruppiner Stadtwerke, Dietmar Lenz (52): Nach der Vertagung des Prozesses vor einer Woche wegen Zweifeln an der rechtmäßigen Besetzung der Wirtschaftskammer des Neuruppiner Land gerichts setzte die Verteidigung am gestrigen zweiten Prozesstag erneut auf Verzögerung – indem sie die Ablösung eines Staatsanwalts wegen Befangenheit beantragte. Die Anträge scheiterten sämtlich, schließlich konnte die Anklageschrift doch noch verlesen werden, und die hatte es sich in sich.
Lenz wird besonders schwere Untreue in 113 Fällen und Vorteilsannahme in zwei Fällen vorgeworfen. Jegliche Posten von wenigen hundert bis zu mehreren tausend Euro sind aufgelistet, die Lenz in seiner Funktion als Stadtwerke-Geschäftsführer zwischen 2003 und 2007 zugunsten des damals klammen Fußballclubs MSV Neuruppin, bei dem er Vize-Präsident war und den er in die Regionalliga führen wollte, veruntreut haben soll. Insgesamt geht es um eine Million Euro, obwohl die Stadtwerke in mehreren Jahren im Minus waren.
Aus der Kasse der Gesellschaft zahlte Lenz für vielerlei: die Handy-Kosten des Trainers, die Leasing-Raten für dessen Auto, die GEZ-Gebühren und eine Tankkarte für die Spieler sowie Heizöllieferungen für den MSV im Wert von mehr als 200 000 Euro. Hinzu kommen Entnahmen aus der Unternehmenskasse in Höhe von 56 000 Euro, die als Vereinssponsoring deklariert wurden, deren Verbleib aber unklar ist. Mehr als 100 000 Euro zahlten die Stadtwerke für VIP-Logen im Berliner Olympia-Stadion für Spiele von Hertha BSC. Lenz bezeichnete dies in einer verlesenen Erklärung als Kundenpflege.
Lenz bestritt die Untreue-Vorwürfe. Sponsoring für Sportvereine sei ein übliches Geschäft, das auch andere Stadtwerke betrieben. Wirtschafts- und Tourismusförderung gehörten zu den Aufgaben der Stadtwerke. Sponsoring für den MSV sei Kundenwerbung und eine Investition in die Infrastruktur der Stadt. Strittig ist noch, ob Lenz als Stadtwerke-Chef als Amtsträger gilt, was für das Strafmaß von Belang ist. Lenz ließ erklärten, er sei nie belehrt worden, dass „ich die Rechtsstellung eines Amtsträgers haben könnte“.
Schwer belastet hat Lenz den Neuruppiner Bürgermeister, Jens-Peter Golde (Pro Ruppin). Mit dem Kauf des Stadiongebäudes 2005 durch die Neuruppiner Stadtwerke sollten die Schulden des MSV getilgt werden. Der Bürgermeister selbst soll Lenz dazu aufgefordert haben, so der Angeklagte gestern. Denn nach einem DFB-Pokalspiel gegen Bayern München stand der MSV Neuruppin beim Rekordmeister mit 150 000 Euro in der Kreide.
Das Geld kam schließlich von den Neuruppiner Stadtwerken. Später flossen nochmals 400 000 Euro. Golde bestreitet bislang jegliche Beteiligung an dem Geschäft. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, müsste der Bürgermeister selbst mit einem juristischen Nachspiel rechnen.
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