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Brandenburg: Exportschlager aus Holz

Vor 25 Jahren machte sich Klaus-Peter Gust aus Langenlipsdorf mit aus Robinienholz gefertigten Spielgeräten selbstständig. Heute balancieren Kinder aus ganz Europa über seine Wackelbrücken oder Holzkrokodile. Als Nächstes muss Gust nach London. Sein Auftrag: „Ein absoluter Knaller“

Von Matthias Matern

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Langenlipsdorf - Wer zum Chef will, muss den geschlängelten schmalen Pfad in der ersten Etage entlanggehen, vorbei an abgetrennten Büros, deren windschiefe Wände an die Fachwerkhäuser eines verwunschenen Märchendorfes erinnern. Fast erwartet man Gandalf den Zauberer aus dem Fanatsieepos „Herr der Ringe“ aus einer der holzgerahmten Türen treten. Stattdessen sitzt am Ende des Ganges in einer der Nischen Klaus-Peter Gust an einem relativ gewöhnlichen Schreibtisch vor einem noch gewöhnlicheren Computer und beschäftigt sich mit ganz unmärchenhaften Themen: Kalkulationen, Projektplanungen, Terminen. „Kommenden Mittwoch fliege ich nach London. Es geht um drei Aufträge für Spielgeräte in Freizeitparks. Mehr als eine Million Pfund – ein riesen Budget“, erzählt der Geschäftsführer der SIK-Holzgestaltungs GmbH aus Langenlipsdorf bei Jüterbog (Teltow-Fläming).

Bekannt ist die Firma vor allem für ihre fanatsievollen Spielgeräte. Seit 25 Jahren schnitzt Gust aus brandenburgischem Robinienholz Drachen, Krokodile und Schnecken, lässt aus Latten, Stämmen, Seilen und Rutschen ganze Spiellandschaften entstehen, in denen Piratenschiffe kreuzen oder über die Ritterburgen wachen. In ganz Europa hangeln sich Kinder auf hölzernen Barrikaden aus Langenlipsdorf, balancieren über Wackelbrücken der Firma SIK. 2010 lag der Umsatz bei etwas mehr als 14 Millionen Euro. Knapp die Hälfte davon erwirtschaftete das Unternehmen im Ausland. „Ich frage mich eigentlich jeden Tag, ob ich mir das so vorgestellt habe – eine derart große Firma“, räumt Gust ein und klingt dabei etwas wehmütig. „Aber das lässt sich ja nicht ändern“, seufzt der 53-Jährige. Der Erfolg seiner Spielgeräte bringt es mit sich, dass Klaus-Peter Gust kaum noch selbst dazu kommt, zu schnitzen oder Spielgeräte zu entwerfen. „Im Grunde genommen plane ich selbst zu wenig. Das Management lässt dafür einfach zu wenig Zeit.“

Heute beschäftigt die Firma 209 Mitarbeiter, davon rund ein Viertel Tischler. Gust selbst hat noch in der DDR in Potsdam eine Ausbildung in Holzgestaltung und Plastik absolviert, später die Meisterprüfung als Bildhauer abgelegt. „Ich habe schon mit 14 Jahren angefangen zu schnitzen und zu malen“, berichtet der geborene Jüterboger. „Alles, was ich mir vorstelle, steckt im Holz drin. Das ist wie ein Dialog. Was ich hineinschnitze, wird durch Astlöcher oder die Maserung leicht verändert, wird praktisch lebendig“, erzählt der Firmenchef.

Die Leidenschaft für das Gestalterische teilt Gust mit seiner Frau Claudia. Auf dem Gelände des alten Fuhrbetriebs ihrer Eltern in Langenlipsdorf, den das Paar damals bereits als Werkstatt und Atelier genutzt hatte, wagte Gust den Sprung in die Selbstständigkeit – und zwar noch zu DDR-Zeiten, unmittelbar kurz vor der Wende. Nachdem er den Behörden erste Entwürfe für Spielplätze vorgelegt hatte, erhielt er eine Gewerbeanmeldung. 1988 ging es los, ein gutes Jahr später viel in Berlin die Mauer und Gust musste zurück auf Los. „Auf einmal gab es viel besseres Material, Schrauben sowie rechts- und linksdrehende Bohrer. Was früher eine halbe Stunde gedauert hat, ging plötzlich in fünf Minuten“, erzählt er.

Dass auch unter den neuen Vorzeichen Bedarf für seine Spielgeräte ist, konnte Gust bereits vor der Wende bei einigen Besuchen im Westen feststellen. „Über die Kirche hatte ich die Möglichkeit, mir einige anzuschauen. Die Spielplätze waren alle irgendwie quadratisch, praktisch, gut – halt industriell gefertigt“, erinnert sich der Firmenchef. Bereits damals verwendete Gust ausschließlich Robinienholz. „Ohne chemischen Holzschutz. Das ist das Allerwichtigste.“

Auf besonders großes Interesse stieß Gust mit seiner Vorstellung von einem kindgerechten Spielgerät vor allem im ehemaligen Westberlin. „Das Ziel eines guten Spielplatzes ist es, dass die Kinder miteinader spielen, sich Förmchen klauen und sie zurückeroberen“, findet er. Gusts erstes nach der Wende verkauftes Spielgerät steht in der Hasenheide in Berlin-Neukölln. „Die waren damals bereits viel fortschrittlicher und aufgeschlossener als etwa in Köln oder anderen westdeutschen Städten“, erzählt der Geschäftsmann. In nächster Nähe dagegen winkte man eher ab. „Wir kaufen jetzt im Westen und nicht bei Hobbyschnitzern“, habe man ihm Anfang der 90er-Jahre bei einem Termin in der Stadtverwaltung von Jüterbog gesagt, so Gust.

Mittlerweile stehen auch in Gusts Heimatstadt Spielgeräte aus seiner Firma. Das wohl komplexeste Projekt musste der Spielplatz-Designer innerhalb von nur drei Monaten fertigstellen. „Das war 2002 in Jaén in Andalusien. Die Idee war ein Themenpark, der die spanische Geschichte von den Mauren über die Entdeckung Amerikas durch Columbus zeigen sollte. Rund 45 Bauten auf 6,5 Hektar Fläche. Da war steiles Projektmanagement gefragt“, erzählt der SIK-Chef.

Auch in London erwartet Gust eine Herausforderung. Auftraggeber ist die Merlin Entertainments Group, ein britischer Betreiber von insgesamt 87 Freizeiteinrichtungen, die jährlich von rund 46 Millionen Besuchern besucht werden. „Die wollen einen richtigen Eyecatcher, einen absoluten Knaller“, meint der Jüterboger. Das Projekt ist Chefsache. Ob ihn die Forderung nach Kreativität auf Knopfdruck manchmal auch unter Druck setze? „Nein, das ist, als wenn ich mich hinsetze, die Gitarre greife und eine Melodie erfinde“, sagt Klaus-Peter Gust.

www. sik-holz.de

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