Brandenburg: Fall Dennis: Eltern erneut vor Gericht
Neuer Dennis-Prozess: Verteidigung sieht Mitschuld der Schulbehörden
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Cottbus - Die Eltern des an Entkräftung gestorbenen kleinen Dennis, dessen Leiche in der Familien-Kühltruhe versteckt worden war, stehen seit Freitag erneut vor Gericht. Die Verteidigung will eine Mitschuld der Schulbehörden nachweisen und beantragte vor dem Landgericht Cottbus, als Zeugen den Leiter des Staatlichen Schulamtes und die Rektorin der Cottbuser Schule zu hören, die den sechsjährigen Dennis 2001 einschulen sollte. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich ablehnend. Der Vorsitzende Richter Stefan Fiedler kündigte an, das Gericht werde über den Antrag am kommenden Dienstag entscheiden. Dann könnte möglicherweise das Urteil gesprochen werden.
Die zweite große Strafkammer des Landgerichtes muss über ein neues Strafmaß für die 46 Jahre alte Mutter und ihren 40 Jahre alten Ehemann befinden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die im Februar 2006 vom Cottbuser Schwurgericht verhängte lebenslange Haftstrafe wegen Mordes durch Unterlassen aufgehoben und in einen Schuldspruch wegen Totschlages geändert. Das Mordmerkmal der Grausamkeit sei nicht bewiesen, hieß es zur Begründung.
Fiedler verlas zum Auftakt des Prozesses Teile des BGH-Beschlusses vom März 2007. Die verweste Leiche von Dennis war nach zweieinhalb Jahren im Juni 2004 in der defekten Kühltruhe in einem Cottbuser Wohnblock entdeckt worden. Die Mutter hatte sie dort versteckt. Nun drohen den Eltern bis zu 15 Jahre Haft für den Tod des sechsjährigen Dennis. Während die elffache Mutter im Prozess mit den Tränen kämpfte und in einer Pause bereitwillig mit Journalisten sprach, wirkte ihr Mann verschlossen und unbeteiligt. Beide sind noch auf freiem Fuß.
Dieter Magsam, der Verteidiger von Dennis'' Vater, wies in dem fast voll besetzten Gerichtssaal auf Versäumnisse bei den Cottbuser Schulbehörden hin. „Die Aussagen der Zeugen werden das Versagen der Schulbehörden aufzeigen“, sagte er. Das könne sich strafmildernd für die Eltern auswirken. „Wenn der Junge wie gesetzlich vorgeschrieben damals vom Schularzt untersucht worden wäre, hätte sein Tod Ende 2001 verhindert werden können“, betonte der Anwalt. „Wenn der Staat selbst Versäumnisse zugelassen hat, muss das in der Strafbemessung der Angeklagten eine Rolle spielen.“ Staatsanwalt Tobias Pinder wandte sich gegen den Antrag. „Ihre Behauptungen haben schon beim vergangenen Prozess eine Rolle gespielt“, sagte Pinder in Richtung der Verteidigung. Die erste große Strafkammer habe die Versäumnisse der Schulbehörden bereits in ihrem Urteil vor eineinhalb Jahren berücksichtigt. Peter Jähnel
Peter Jähnel
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