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Brandenburg: Familientragödie: In der Wohnung lagen vier Tote Jahrzehntelang hatte die Mutter aus Berlin-Marzahn die schwer behinderten Kinder gepflegt

Berlin - Der Fahrer des Behindertenbusses wartete vergeblich. Montag früh will der Betreuer die beiden erwachsenen Kinder der Familie Sch.

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Berlin - Der Fahrer des Behindertenbusses wartete vergeblich. Montag früh will der Betreuer die beiden erwachsenen Kinder der Familie Sch. in der Wittenberger Straße in Berlin-Marzahn abholen, wie jeden Werktag. Als die Kinder nicht kommen, fährt er zunächst seine Tour zu Ende, später aus dem Büro versucht er die Familie Sch. anzurufen, doch niemand meldet sich. Als eine halbe Stunde später auf mehrfaches Klingeln keiner die Wohnungstür öffnet, ruft der Betreuer um 10.30 Uhr die Feuerwehr. Die Einsatzkräfte brechen schließlich die Tür auf, doch helfen können sie nicht mehr. Sie finden vier Leichen: Die Mutter, die beiden erwachsenen Kinder und – vermutlich – den Lebensgefährten. Dieser Mann ist noch nicht identifiziert.

Vermutlich schied die Familie mit Tabletten oder Gift aus dem Leben, wer die treibende Kraft der Tragödie war, ist noch ungeklärt. Einiges deutet auf eine Verzweiflungstat hin. In jedem der vier Zimmer lag eine Leiche, auch ein Abschiedsbrief wurde gefunden. Von einer Sofortobduktion erhofft sich die Mordkommission Klarheit über die Todesursache. Ein fremder Täter sei ausgeschlossen, hieß es.

Die Nachbarn in dem 18-Parteien- Haus nahe dem S-Bahnhof Ahrensfelde, dicht am Stadtrand, sind ratlos. Sie erzählen, dass die beiden Kinder sehr schwer behindert gewesen seien, körperlich und geistig. „Sie konnten nicht einmal guten Tag sagen“, sagt Nachbar L.

22 Jahre lang hat Mutter Heidi die Tochter gepflegt, den Sohn sogar 34 Jahre lang. Sie selbst war 53 Jahre alt. Jeden Morgen habe die Mutter ihre Kinder auf die Straße gebracht und den Bus verabschiedet, wenn diese die Kinder um 14 Uhr zurückbrachte, habe sie unten schon gewartet.

Nachbarn erzählen, dass der Vater ausgezogen sei, seit einiger Zeit jedoch wieder ab und zu vorbeigekommen sei. Wo er gestern war, ist unklar.

Am 1. Advent sei dann Ruhe gewesen in der Wohnung, erzählt Nachbar L., der mit der Familie Tür an Tür im dritten Stock wohnte. Er habe Familie Sch. zuletzt am Freitagnachmittag gesehen. „Es fehlten die Geräusche, die die Tochter immer von sich gab“, sagt Herr L. „Die wollten nicht mehr Weihnachten feiern“, eine andere Frau aus dem Haus. Direkten Kontakt hatte keiner mit der Familie in dem kürzlich aufgehübschten Plattenbau der Wohnungsgesellschaft Marzahn.

„Erweiterter Suizid“ nennen Fachleute es, wenn erst nahe Verwandte aus Verzweiflung getötet werden und der Täter oder die Täterin dann selbst Hand an sich legt. Manchmal überleben dann die Täter, weil sie nach ihrer Handlung zu schockiert sind, um sich noch zu töten. Die Zahl der Selbstmorde in Berlin schwankt seit der Wende zwischen 400 und 600.

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